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Kolumne

Gregor Gysi: Was ein Linker zum Bürgergeld sagt

Jetzt kommt es tatsächlich zum 1. Januar 2023. Für alle, die von Hartz 4 leben, gibt es damit einen kräftigen Zuschlag. Einige andere Vergünstigungen fielen in letzter Minute auf Druck von CDU/CSU weg. Wie die neue „Stütze“ aussieht. Und was Befürworter und Kritiker dazu sagen.

Dieser Text ist eine freie Meinungsäußerung des Kolumnisten und spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.

 

Gregor Gysi, 74, Mitglied des Deutschen Bundestages und außenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke.

SPD und Bündnisgrüne wollten mit dem Bürgergeld den Makel von Hartz4 loswerden, das unter ihrer Rot-Grünen Bundesregierung im Jahr 2004 eingeführt wurde. Doch was nun im Ringen mit der CDU/CSU und unter Beifall der FDP vom Vermittlungsausschuss beschlossen wurde, ist kein Bürgergeld.

Der neue Regelsatz von 502 Euro ist zwar eine Steigerung im Vergleich zu den bisherigen Leistungen, sichert aber kein Existenzminimum. Ein wirkliches Existenzminimum müsste nach Berechnungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes 725 Euro betragen.

Die Behauptung von Union und AfD, dass Vollzeitbeschäftigte am Ende weniger Geld zur Verfügung hätten als Hartz4-Beziehende, hat sich längst als Fake News herausgestellt. Und es wird nicht besser, wenn Markus Söder Medien, die ihn damit konfrontieren, diffamiert.

Herausgekommen ist Hartz 5 und es bleibt Armut per Gesetz.

Gregor Gysi

Vielleicht sollte der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz noch mal einen Blick in das Grundgesetz und das entsprechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts werfen. Dort geht es um ein menschenwürdiges Existenzminimum, das der Staat zu gewährleisten hat. Wenn der Abstand zwischen Existenzminimum und Löhnen zu gering ist, muss es eben höhere Löhne geben. Doch mit CDU/CSU und AfD beklagen nun ausgerechnet die beiden Parteien den fehlenden Lohnabstand, die nicht einmal der Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro zugestimmt haben.

Mit der Verhinderung einer Vertrauenszeit, in der Menschen, die meist unverschuldet arbeitslos wurden, nicht sofort mit Leistungskürzungen bestraft worden wären, offenbart sich ein eher asoziales Menschenbild der Union. Die Bergpredigt im Neuen Testament verpflichtet die Christenheit zu Solidarität und Nächstenliebe. Bei den sich christlich nennenden Parteien herrscht dagegen Misstrauen gegen Arme. Das ist nicht nur erbärmlich, sondern hält den Druck aufrecht, auch noch die schlechtbezahltesten Jobs anzunehmen und damit die Löhne niedrig zu halten. Ein Teufelskreis, mit dem der größte Niedriglohnsektor Europas – tatsächlich bei uns - zum Wohle des Profits aufrechterhalten wird.

Ich mache einen anderen Vorschlag: Die Bedürftigen bekommen das wirkliche Existenzminimum – keine Sanktionen. Engagierte und Kranke bekommen einen Bonus.

Das Bürgergeld hätte einen sozialen Aufbruch signalisieren können. Herausgekommen ist Hartz 5 und es bleibt Armut per Gesetz.