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Politik

Gregor Gysi: Seine Konsequenzen der Linken-Krise

Bisher versuchte Gregor Gysi im Streit der Linken zu vermitteln. Doch damit setzte er sich zwischen alle Stühle. Wie unser Politik-Chef Gerald Praschl die Lage analysiert. Und was er selbst dazu sagt.

Es klang fast so, als ob es dem 75-Jährigen langsam egal ist, wie es mit „seiner“ Partei weitergeht. Auf Facebook schrieb Gregor Gysi Ende März frustriert: „Auch wenn es alle denken, ich verfalle nicht in Trauer wegen des Zustandes meiner Partei. Ich will, dass es ihr besser geht, aber meine historische Aufgabe habe ich, auch nach Ansicht von Politikern anderer Parteien, eher weitgehend erfüllt.“ Ist das schon seine Abschiedsrede? Auf jeden Fall hat er offenbar keine Lust mehr, im Dauerstreit der Linkspartei weiter zu vermitteln und dafür von beiden Seiten abgewatscht zu werden. Es geht dabei vor allem um den Streit um Sahra Wagenknecht und die außenpolitischen Positionen der Linken zur Nato, zur EU – und zu Putin. In der Linken gibt es zwei völlig unversöhnliche Flügel, zwischen denen Gysi zu vermitteln sucht, um eine Spaltung zu verhindern. Weil die Partei in Umfragen nur noch bei fünf Prozent steht, könnte eine Spaltung tatsächlich das Aus bedeuten.

Außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion

Obwohl er allen Ämtern abgeschworen hatte, ließ sich Gysi 2020 zum außenpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion wählen. Er wollte damit verhindern, dass dieses Amt jemand bekäme, der wie Wagenknecht mit EU und Nato komplett auf Kriegsfuß steht – oder gar, wie Wagenknecht-Anhänger Andrej Hunko zu Freundschaftsbesuchen in die von Russland besetzten Teile der Ukraine fährt. Zum anderen versuchte er aber auch, Sahra Wagenknecht – die selbst mit Spaltung droht - in der Partei zu halten. So setzte er sich 2022 erfolgreich gegen ihren Parteiausschluss ein. Nun unterstützte er Sahra Wagenknechts „Manifest für Frieden“, das ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert (und damit deren Kapitulation, wie Kritiker monieren). Gysi äußerte auch Interesse, bei ihrer Demo am 25.2. am Brandenburger Tor als Redner aufzutreten. Die Linken-Vorsitzenden Martin Schirdewan und Janine Wissler hatten sich dagegen von Wagenknechts Aufruf distanziert und verurteilt, dass bei der Demo „Rechtsradikale und AfD-Abgeordnete“ dabei seien.

© Martin Schutt | dpa Picture-Alliance
Die Vorsitzenden der Linkspartei, Martin Schirdewan und Janine Wissler distanzierten sich Wagenknechts „Manifest für Frieden“ – und damit auch von Mitunterzeichner Gregor Gysi.

Veränderung des Partei-Klimas

Einige Linken-Politiker, darunter Ex-Parteichefin Katja Kipping organisierten sogar eine Gegendemo. Sie gesellten sich am 24.2. in Berlin an den Rand einer pro-ukrainischen Großdemo und forderten dort, Russland müsse den Krieg beenden. Gysi blieb beiden Demos fern, angeblich, weil Sahra Wagenknecht ihn bei ihrer Demo nicht haben wollte – und Kipping und Co. offenbar auch nicht. Die Partei-Ikone scheint in beiden Lagern als Mittler und Versöhner nicht mehr gefragt.

Lesen Sie im Folgenden, was Gysi nun von seiner Partei fordert.

Gregor Gysi exklusiv: Die Menschen brauchen eine handlungsfähige Linke

Ginge es nach manchen Medien und auch den Befürchtungen der einen oder des anderen in der Linken hätte es das gar nicht geben dürfen – doch Christina Buchheim wurde am Sonntag vor Ostern in der Stichwahl klar zur neuen Bürgermeisterin von Köthen gewählt. Genau wie Henry Ruß eine Woche zuvor in Reichenbach im Vogtland gewann sie gegen den bisherigen Amtsinhaber. Zwei Linke erringen also mitten in einer existenziellen Krise der Partei das Bürgermeisteramt in ostdeutschen Mittelzentren mit großem Vorsprung. Davor schon Matthias Marquardt im thüringischen Heringen und Eva-Maria Kröger als Oberbürgermeisterin in Rostock.



So wenig wie damit die Krise der Linken vorbei ist, so sehr ist das ein Fingerzeig, wie groß das Bedürfnis vieler Menschen vor allem im Osten nach Politikerinnen und Politikern ist, die sich ernsthaft ihrer Sorgen annehmen, einen klaren Kurs in der sozialen Frage haben und deren Partei vor Ort nicht gegeneinander streitet, sondern gemeinsam streitet. Nimmt man das parteiübergreifende Lob für die Arbeit von Klaus Lederer als Kultursenator und Katja Kipping als Sozialsenatorin in Berlin und die Aussage des CDU-Landrats im thüringischen Eichsfeld hinzu, dass das Land mit Bodo Ramelow als Ministerpräsident „vergleichsweise gut bedient“ sei, wird ein Muster deutlich.

Dort, wo die Linke sich ernsthaft bemüht, wo nicht ideologische Schlachten gegeneinander geschlagen werden, sondern am Alltag der Menschen gearbeitet wird, wo die Menschen das Gefühl haben, dass es um sie und nicht um Posten oder Rechthaberei geht – dort bekommt sie Zuspruch. Mein Freund Lothar Bisky verwies immer darauf, dass die Menschen ein feines Gespür haben, ob und wie unsere Partei ihren Gebrauchswert für sie wirklich wahrnimmt oder nur darüber redet.



Es lohnte sich also – gerade auch angesichts der sozial verheerenden Politik der Ampel-Koalition, die nichts gegen die Inflation tut und für die Bekämpfung der Kinderarmut kein Geld hat, wohl aber für eine gigantische Aufrüstung der Bundeswehr – wenn meine Partei sich daran erinnerte, wie sie in den 1990er Jahren wieder an Zuspruch gewann, und sich anschaute, wie Einzelne ihre Wahlen gewinnen.



Dazu gehört, dass man sich die verschiedenen Zugänge verschiedener Generationen zu linker Politik nicht länger gegenseitig vorhält oder gar wechselseitig Rücktritte und Ausschlüsse fordert, sondern akzeptiert, dass sich so wie in der Gesellschaft insgesamt auch in der Linken die Sichtweisen weiter differenzieren. Die Menschen in unserem Land brauchen eine handlungsfähige Linke, die dem immer mehr um sich greifenden Egoismus und einer Politik, die sozialen Ausgleich nicht einmal mehr schaffen will, die Fähigkeit zu Solidarität, den Einsatz für Frieden und soziale Gerechtigkeit, zur Verbindung von ökologischer Nachhaltigkeit mit sozialer Verantwortung entgegensetzt und für eine völlige Gleichstellung von Mann und Frau und von West und Ost kämpft.