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Adelsgeschichte

Royales Thüringen: Auf den Spuren von König Charles III.

Auch im Freistaat freute man sich auf die Krönung von König Charles III. Schließlich hat der Monarch familiäre Verbindungen hierher. SuperIllu besuchte das Land seiner Urahnen – und traf dort auch einen seiner früheren Butler.

Eine ganze Nation fieberte diesem einen Tag entgegen: Als König Charles III. am 6. Mai 2023 offiziell zum König gekrönt wurde, haben aber nicht nur Royalisten in Großbritannien den neuen Monarchen gefeiert – auch in Eisenach und Gotha war die Vorfreude groß. Zum einen stammen die Urahnen des Monarchen aus Thüringen – zum anderen lebt einer seiner ehemaligen Bediensteten heute hier. SuperIllu machte sich im Vorfeld der Krönung auf die ostdeutschen Spuren von König Charles und traf Menschen die den royalen Geist nicht nur kurz vor der Zeremonie in Westminster Abbey aufleben lassen.

© Andreas Wetzel | SuperIllu
Der Engländer Malcolm Crowson arbeitete einst im königlichen Palast als Bediensteter, war Prinz Charles zugeteilt.

Abläufe im Königshaus liefen mit großer Präzision ab

Wenn Malcolm Crowson, 63, über Charles III. spricht, spürt man eine persönliche Verbundenheit. „Ich habe seine Entwicklung von Anfang an begleitet. Er konnte sich auf diesen Job so lange vorbereiten, wie kein anderer. Er wird das sicherlich meistern“, sagt der Wahl-Eisenacher. Crowson weiß genau, wovon er spricht. Er war einst im Dienst seiner Majestät: Von 1976 bis 1978 arbeitete er als Butler im Buckingham Palace. Der damalige Hotelmanagement-Student absolvierte bei den Royals einen Teil seiner praktischen Ausbildung. „Ein Professor fragte mich, ob ich darauf Lust hätte. Und die hatte ich.“ Der damals 16-Jährige bediente aber nicht Königin Elisabeth II. „Ich war für Prinz Charles eingeteilt. Wir waren bis zu fünf Mann; mussten uns am Tag fünf Mal umziehen. Zum Frühstück, Lunch oder Dinner wurde immer eine neue Uniform getragen“, erzählt der Engländer, der seit dem Brexit auch einen deutschen Pass hat.

© Andreas Wetzel | SuperIllu
Mit seiner Frau führt Malcolm Crowson seit 30 Jahren einen Spiel- und Souvenirladen in Eisenach.

Einmal im Jahr war er zudem bei großen Staatsbanketten im Einsatz: „Es sind immer dieselben Abläufe, die mit einer hohen Präzision ausgeführt werden.“ Wenn es gewünscht wurde, verrichtete er auch Dienst an der königlichen Kutsche. Die Regeln am Hof waren klar: Man durfte den Prinzen nicht ansprechen, nicht in die Augen schauen und keine Fotos machen. Nach zwei Jahren verließ der Engländer den Hof, heuerte stattdessen auf einem Kreuzfahrtschiff an. „Ich hatte die Wahl zu bleiben oder die Welt zu sehen. Ich habe mich für die Welt entschieden.“ Die Zeit als Bediensteter der königlichen Familie, in denen er sieben Pfund pro Arbeitstag verdiente, veränderte sein Leben: „Das Geld war zweitrangig, es ging um das Erlebnis. Und es war ein Sprungbrett. Das merke ich heute erst so richtig.“ Beruflich führte ihn sein Weg später in die USA, die Schweiz und nach Heidelberg. Dort lernte er seine heutige Frau Kirsten kennen, deren Familie ursprünglich aus Thüringen stammt. Nach der Wende zogen sie deshalb nach Eisenach. Seit 30 Jahren führen die beiden gemeinsam einen Laden im Herzen der Stadt. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Die Menschen in dieser Region sind sehr offen und verbringen ihren Tag gerne draußen. Das gefällt mir.“ Die Krönung wird er mit Freunden und Bekannten feiern. Und er hat noch etwas anderes im Blick: „Ich werde schauen, wen ich am Bildschirm bei der Zeremonie entdecke. Ich habe noch zu manchen Bediensteten Kontakt. Wenn man einen Job am Hofe hat, behält man ihn oft ein Leben lang. Irgendwann ist man ein Teil der Royal-Family.“ Deren Wiege steht übrigens nur knapp 30 Kilometer von Eisenach entfernt, in Gotha…

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1838 ist neben Königin Victoria auch Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha im Hofkalender zu finden. Das Paar heiratete 1840.

Das Stadtoberhaupt ist auch Adelsexperte

Oberbürgermeister Knut Kreuch vor dem Stammbaum von Ernst dem Frommen und dem Werbeslogan „Gotha adelt“. 2011 wurde dieser als Stadtmarke des Jahres ausgezeichnet. Kreuch  erklärt: „Jeder, der hier wohnt, hier investiert und sich engagiert, soll sich geadelt fühlen.“

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Die Statue von Ernst dem Frommen, ist eines der Wahrzeichen der Stadt Gotha.

Adelshäuser Europas stammen von Ernst dem Frommen ab

Denn Charles hat, ebenso wie die Oberhäupter aller anderen europäischen Königshäuser, ostdeutsche Wurzeln. Sie alle sind Nachfahren von Ernst dem Frommen (1601-1675). Der Regent unterhielt schon früh diplomatische Beziehungen in diverse Teile Europas. Einem der berühmtesten Nachfahren gelang 1840 der Sprung nach Großbritannien. Damals heiratete Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha seine Cousine, die englische Königin Victoria. Das Königshaus erhielt deshalb später den Namen von „Sachsen-Coburg und Gotha“. Die Monarchin liebte Thüringen, schrieb nach einem Besuch 1845 in ihr Tagebuch: „Ich fühle mich hier so zu Hause.“ Auch ihre Ur-Ur-Enkelin, Königin Elisabeth II., hätte diesen Beinamen getragen und an Charles weitergereicht – doch noch während des Ersten Weltkriegs nannte sich die Dynastie 1917 nach einer ihrer Hauptresidenzen in „Windsor“ um. Für Gothas Oberbürgermeister Knut Kreuch, 56, SPD, ist die Verflechtung des englischen Königs Charles III. nach Thüringen ein spannendes Thema. „Es gehört einfach zu unserer Geschichte.“

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Oberbürgermeister Knut Kreuch vor dem Stammbaum von Ernst dem Frommen und dem Werbeslogan „Gotha adelt“. 

Gothas Oberbürgermeister möchte Charles III. nach Gotha locken

Nicht erst seit 2006 als Knut Kreuch Stadtchef von Gotha wurde, ist die europäische Adelsgeschichte sein Steckenpferd. „Die Beschäftigung mit den Ahnenlinien interessiert mich bereits seit vier Jahrzehnten“, erzählt er. Mittlerweile ist er ein echter Royal-Experte. Für die Barockstadt, in der auch der berühmte „Gothaische Hofkalender“, ein Nachschlagewerk des europäischen Hochadels von Justus Perthes verlegt wurde, entwarf er einen Stammbaum von Ernst dem Frommen – dem „Opa von Europa“, wie Kreuch ihn nennt. 2023 erschien die bislang dritte Auflage. Immer wieder versuchte der OB König Charles III. und seine Gattin Camilla nach Gotha zu locken. 2019 lud er den Prinzen sogar persönlich ein. „Ich habe ihm damals eine Luftaufnahme von Schloss Friedenstein gezeigt; ihm erklärt, dass das der Geburtsort seiner Vorfahren ist und was sich heute noch im Schloss befindet.“ Charles habe ihm erfreut für die Einladung gedankt. Bei seinem letzten Deutschlandbesuch lag Gotha aber (noch) nicht auf seiner Reiseroute.

Die barocke Residenz ist seit Jahren ein Besuchermagnet. 2022 zählte man dort 143236 Besucher. Das Herzogliche Museum, die historischen Räume und die Kunstkammer sowie der Englische Garten – überall findet man Verbindungen zum europäischen Hochadel. Ein Höhepunkt für Royalisten: die Gemälde von Königin Victoria und Prinz Albert in der Schwarzen Galerie. Knut Kreuch: „Ich hoffe natürlich, dass ich all das dem König einmal persönlich zeigen kann.“

Auf die Krönung von Charles freue er sich: „Es bleibt spannend, wie er Tradition und Moderne miteinander verbinden wird.“ Die Zeremonie verpasste der OB allerdings. Denn vom 4. bis 7. Mai 2023 fand in der Residenzstadt das „Gothardusfest“ statt. In der Touristeninformation war man dennoch vorbereitet. Dort stand eine Pappfigur von Charles samt goldenem Thron.

Gothas Verbindung zum europäischen Adel

Ab 1763 erschien in Gotha das zentrale Lexikon des europ. Adels, der Gothaische Hofkalender, den seit 1785 Justus Perthes verlegte. Die meisten Ausgaben sind im Perthes-Forum der Stadt zu finden. Der Bestand ist Teil der Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt.