Menü
SUPERillu
Made with in Offenburg
© Christian Spicker | imago images
Politik-Interview

Sahra Wagenknecht: Was will ihre neue Partei?

Es ist der politische Paukenschlag des Jahres: Sahra Wagenknecht bricht endgültig mit der Linkspartei – und will künftig mit dem „Bündnis Sahra Wagenknecht“ bei Wahlen antreten. SuperIllu traf sie zum Gespräch über ihre Beweggründe und Pläne.

Interview: Gerald Praschl, Björn Wolfram

Frau Wagenknecht, nun soll es also losgehen mit Ihrer Partei. Zunächst gibt es sie nur als Verein. Wieso?

Eine neue Partei zu gründen, ist keine einfache Sache. Bisher haben sich alle ehrenamtlich für das Projekt engagiert. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem das nicht mehr genügt. Wir haben den Verein gegründet, weil wir Spenden brauchen, um die Parteigründung professionell vorzubereiten. Wir benötigen hauptamtliche Mitarbeiter und vieles mehr. Im Januar wird die Partei dann endlich starten.

Um was genau geht es beim „Bündnis Sahra Wagenknecht - für Vernunft und Gerechtigkeit“?

Unser wichtigstes Ziel ist eine Rückkehr der Vernunft in die deutsche Politik. Wir haben eine schwierige weltpolitische Situation, überall Krisen und Konflikte mit großer Eskalationsgefahr. Und ausgerechnet in dieser Lage haben wir die schwächste und inkompetenteste Regierung, die die Bundesrepublik je hatte. Da machen sich viele Menschen zu Recht Sorgen, sind wütend und haben Angst vor der Zukunft.

Dass die Partei nach mir benannt ist, ist eine vorübergehende Lösung, bis sie sich etabliert hat.

Sahra Wagenknecht

Was konkret sind denn Ihre Pläne für Deutschland?

Deutschland braucht eine starke, innovative Wirtschaft. Noch gehören wir zu den führenden Industrieländern, aber wie lange noch? Wir dürfen unsere Unternehmen nicht ins Ausland oder in die Insolvenz treiben. Deshalb muss die Politik sich um preiswerte Energie kümmern, um gute Bildung, um Behörden, die effizient arbeiten. Nichts davon steht auf der Agenda der Ampel.

Unser zweites großes Thema ist die soziale Gerechtigkeit. Viele Menschen arbeiten hart, kommen mit ihrem Einkommen aber kaum über den Monat. Die starken Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie haben sie getroffen. Die gesellschaftliche Ungleichheit wird seit Jahren größer. Und so vieles funktioniert in unserem Land nicht mehr: Kaum ein Zug fährt pünktlich, ein Kassenpatient wartet monatelang auf einen Facharzttermin, Zehntausende Wohnungen und Lehrer fehlen und im Alter erwartet immer mehr Menschen demütigende Armut. Das alles muss and ers werden.

Unser drittes großes Thema ist der Frieden. Für die meisten Konflikte dieser Welt gibt es keine militärische Lösung. Weder in der Ukraine noch im Nahen Osten. Deutschland muss weg vom Schwarz-Weiß-Denken. Wir müssen wieder eine Vermittlerrolle einnehmen, auf Diplomatie und Interessenausgleich setzen. Ja, die Hamas ist eine brutale Terrormiliz, mit der man nicht verhandeln kann. Aber es wird im Nahen Osten keinen Frieden geben, wenn nicht auch die Interessen der Palästinenser berücksichtigt werden. Und immer mehr Waffen bringen auch der Ukraine keinen Frieden. Der Krieg lässt sich nur durch Kompromissbereitschaft beenden: Das betrifft die Frage einer möglichen NATO-Mitgliedschaft und auch die Krim.

Unser viertes wichtiges Thema: Es macht mir Sorgen, wie der Meinungskorridor in unserem Land immer enger wird, wie Menschen stigmatisiert werden, die nicht das vertreten, was die dominante, grünorientierte Meinungsblase richtig findet. Extrem war das in der Coronakrise. Wir erleben es aktuell aber auch in den Debatten um die Kriege in der Ukraine und in Nahost. Wer eine differenzierte Sicht einfordert, wird schnell verdächtigt, mit Putin oder der Hamas zu paktieren. Dieses Niveau ist einer Demokratie unwürdig.

Die neue Partei ist nach Ihnen benannt. Ist vielleicht einfach Sahra Wagenknecht deren Programm?

Natürlich prägen die Ideen und Konzepte, die ich vertrete, auch die Programmatik der neuen Partei. Dass sie nach mir benannt ist, ist aber nur eine vorübergehende Lösung, bis sie sich etabliert hat.

Gerüchte, dass Sie eine Partei gründen wollen, gab es schon länger. Was gab jetzt den Ausschlag, es zu tun?

Ich habe lange mit mir gerungen, war hin- und hergerissen. Natürlich habe ich mich immer wieder gefragt, ob ich das persönlich schaffe. Das wird mein Leben ja sehr verändern, viel Kraft kosten. Und ich hab mich gefragt, ob wir die organisatorischen Herausforderungen bewältigen können: Längerfristig Zehntausende Menschen zu organisieren, die Fähigen und Ehrlichen einzubeziehen und die Spinner und Extremisten draußen zu halten, ist eine Mammutaufgabe. Mittlerweile allerdings haben wir ein sehr fähiges Team und so viele gute Leute am Start, dass ich fest daran glaube, dass wir Erfolg haben werden.

Was war die Alternative?

Für mich persönlich: am Ende der Legislatur aus der Politik auszusteigen, Bücher zu schreiben, mehr freie Zeit zu haben. Aber diese Frage ist jetzt entschieden und ich freue mich auf die neue Aufgabe. Unser Land braucht einen politischen Neubeginn, und dafür braucht es eine neue politische Kraft mit klugen Ideen und seriösen Konzepten. Die Menschen haben eine bessere Politik verdient.

Unser Land braucht einen Neubeginn. Die Menschen haben eine bessere Politik verdient.

Sahra Wagenknecht

Tut es Ihnen nicht weh, die Linke zu verlassen?

Es tut mir weh, zu sehen, in welchem Zustand die Linke heute ist. Ich habe mich in der PDS, in der Linken mehr als 30 Jahre engagiert. Die Linke war einmal eine einflussreiche Kraft. Heute spielt sie politisch kaum noch eine Rolle, weil es für den aktuellen Kurs der Parteispitze jenseits einer kleinen Aktivistenszene schlicht keine Wählerschaft gibt.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch wirft Ihnen vor, Ihr Bruch mit der Linken sei „unverantwortlich“ angesichts der Krise der Partei...

Es hätte den Bruch auch ohne Parteineugründung gegeben. Gegen mich läuft ein Ausschlussverfahren, das von der Parteiführung unterstützt wird. Schon im Juni wurde mir mitgeteilt, dass die Zukunft der Linken eine Zukunft ohne mich sein wird. Was nicht mehr zusammenpasst, sollte sich trennen. Aber ich will keinen Rosenkrieg. Die Linke ist nicht mein politischer Gegner.

In jungen Jahren waren Sie Chefin der „Kommunistischen Plattform“. Sind Sie immer noch Kommunistin

Nein, das ist lange her. Natürlich habe ich mit Zwanzig andere Positionen vertreten als heute. Aber ins Klischee einer strammen Kommunistin passte ich schon damals nicht. Ich durfte in der DDR nicht studieren, schon in meinen frühen Publikationen war ich gegen eine zentralisierte Planwirtschaft und für Wettbewerb und Leistungsanreize. Der Blackrock-Kapitalismus, den wir heute haben, behindert echte Unternehmer und bestraft die Fleißigen. Mein Ziel ist eine faire Leistungsgesellschaft mit echter Chancengleichheit und einem hohen Grad an sozialer Sicherheit.

Ich bin keine Kommunistin mehr. Mein Ziel ist eine faire Leistungsgesellschaft mit sozialer Sicherheit.

Sahra Wagenknecht

Ist Ihre Wagenknecht-Partei dann rechts, links, konservativ, liberal? Wo sehen Sie sich?

In der Mitte der Gesellschaft. Zu der gehören ja auch die vielen, denen es gar nicht gut geht und die endlich wieder eine starke politische Stimme brauchen. Links, rechts - damit können viele Wähler gar nichts mehr anfangen! Meine Forderung nach guten Löhnen, guten Renten, einem ordentlichen Sozialstaat ist sicher ein klassisch linkes Thema. Aber viele verbinden heute mit links ganz etwas anderes: eine übergriffige, arrogante Debatte, die ihnen vorschreiben will, was sie zu essen, welches Auto sie zu fahren, wie sie zu heizen und zu sprechen haben. Damit habe ich nichts zu tun!

Wenn Sie es mit Ihrer Partei tatsächlich in die Parlamente schaffen sollten – mit wem würden Sie zusammenarbeiten?

Wir arbeiten gern mit allen zusammen, die unser Land vernünftiger und gerechter gestalten wollen und seriös sind.

Neue Parteien sind schon oft gescheitert, weil sie auch viele Querulanten anzogen…

Deswegen können wir mit Blick auf die Mitgliedschaft nur langsam wachsen. Jeder, der das möchte, wird die Chance haben, uns zu unterstützen. Aber es wird ein längerer Prozess sein, bis man Vollmitglied werden kann. Wir haben jetzt die Chance, eine Partei auf den Weg zu bringen, die im Erfolgsfall den Abstieg unseres Landes stoppen und die Zukunft für Millionen Menschen verbessern könnte. Das wird anstrengend und schwer, aber es ist dringend notwendig.

Deshalb habe ich mich letztlich dafür entschieden. Ich will nicht später einmal in den Spiegel schauen und mir sagen müssen, dass ich aus Angst oder Bequemlichkeit genau da gekniffen habe, wo es einmal auf mich angekommen wäre