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© Bernd Von Jutrczenka | dpa Picture-Alliance
Politik-Interview

Friedrich Merz: Ukraine, Krisenplan, Energiepolitik

Warum CDU-Chef Friedrich Merz der Ukraine noch mehr Waffen liefern will. Was er von dem neuen 200-Milliarden-Krisenplan der Bundesregierung hält. Und was er an der Energiepolitik in der Merkel-Zeit hart kritisiert.

Herr Merz, viele Menschen haben Sorgen wegen der enorm steigenden Energiekosten – für ihre Wohnung, für ihren Betrieb. Was tun?

Ich nehme die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger sehr ernst. Die Ursache für diese Entwicklung ist der Krieg von Putin gegen die Ukraine - ausschließlich! Je schneller dieser Krieg gestoppt wird, desto schneller kehren wir wieder zur Normalität zurück. Solange das nicht der Fall ist, müssen wir alle Energiequellen für die Stromerzeugung nutzen, die wir jenseits von Gas und Öl haben. Hier kann ich die Bundesregierung nicht verstehen. Sie sperrt sich dagegen, die bestehenden Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Sie könnten zehn Millionen Haushalte mit Strom versorgen. Es ist fahrlässig, das nicht zu nutzen.

Vor zehn Jahren gab es in Deutschland noch 17 Atomkraftwerke, die 18 Prozent des in Deutschland benötigten Stroms erzeugten. Heute sind es nur noch drei und die sollten eigentlich am Jahresende stillgelegt werden. An diesem Atomausstieg tragen alle Regierungsparteien der letzten 20 Jahre Verantwortung. Beschlossen hatte ihn 2002 zunächst Rot-Grün unter Gerhard Schröder. Bestätigt hat ihn 2011 Schwarz-Gelb unter Angela Merkel. War der Atomausstieg ein fataler Fehler?

Zumindest die Reihenfolge war falsch. Bevor man etwas stilllegt, muss man wissen, was an die Stelle tritt. Deutschland hat die Atomkraftwerke aber stillgelegt, ohne zu wissen, wo der Strom herkommen soll, den wir brauchen. Dazu kommt, dass auch alle Vorhersagen falsch waren, wie viel Energie Deutschland braucht. Deswegen sollten zumindest die drei Kernkraftwerke, die wir noch haben, am Netz bleiben, bis wir die Energiekrise hinter uns haben.

Die hohe Abhängigkeit von russischem Gas wurde ebenfalls von allen Regierungsparteien der letzten 20 Jahre vorangetrieben. Alle, auch CDU und CSU, waren dafür, immer mehr Gasgeschäfte mit Russland zu machen. Und alle miteinander überhörten auch die Warnungen vieler Osteuropa-Experten vor Putins Regime...

Auch da ist man rückblickend natürlich klüger. Ja, es ist eine verhängnisvolle Abhängigkeit geworden. Die CDU war lange Zeit in Verantwortung, aber sie hat es nie zur politischen Korruption in ihren eigenen Reihen kommen lassen – wie bei der SPD.

Die Lobbyisten des Kreml und auch die der deutschen Industrie, z.B. von BASF, die scharf auf billiges russisches Gas waren, waren aber bei allen Bundestagsparteien unterwegs, um Stimmung für immer mehr Gasgeschäfte zu machen...

Ja, das stimmt. Wir haben uns blenden lassen von der Versorgungssicherheit, die es über Jahrzehnte bei russischem Gas tatsächlich gegeben hat. Und haben dabei unterschätzt, dass das ganze Unternehmen eben doch politisch gelenkt und - wie wir jetzt sehen - in den Dienst der imperialistischen Politik von Putin gestellt wurde.

Das ist aber nicht erst jetzt zu sehen. Putin führt schon seit 2014 Krieg in der Ukraine, auch seine feindselige Propaganda gegen die EU und die westlichen Demokratien läuft schon viel länger...

Wir hätten schon im Jahr 2014 die Zeichen der Zeit besser erkennen und mehr Entschlossenheit zeigen müssen. Und nicht erst 2022.

Weil Putin uns kein Gas mehr liefert, müssen wir die 55 Prozent unseres Gasbedarfs, die Russland bisher lieferte, jetzt sehr teuer woanders einkaufen. Das Milliarden-Defizit, das dadurch entsteht, muss irgendwer bezahlen. Wer?

Die Bundesregierung hat in dieser Woche viel Geld in Aussicht gestellt, 200 Milliarden Euro. Damit sollen die Strom- und Gaspreise für die Verbraucher gesenkt werden. Wie genau das funktionieren soll, das wird man sehen. Zunächst einmal müssen wir uns jetzt intensiv weiter bemühen, so wenig Gas wie möglich zu verbrauchen. Wir müssen die Nachfrage nach Gas systematisch senken. Deswegen ist es falsch, Gas weiterhin zur Stromerzeugung zu verwenden. Es wird trotzdem noch eine Lücke bleiben.

Wie hoch oder niedrig soll denn ein künftiger „Gaspreisdeckel“ liegen?

Der „Gaspreisdeckel“ muss relativ hoch liegen. Er muss eher bei den aktuellen Großhandelspreisen ansetzen als bei dem früheren oft um das Zehnfache niedrigeren Gaspreis. Bei privaten Verbrauchern sollten wir auf den Grundbedarf achten. Zudem muss Haushalten im unteren Einkommensdrittel zusätzlich finanziell geholfen werden.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, wie sie in der CDU, fordert eine Aufhebung vieler Russlandsanktionen. Wie sehen Sie das?

Meine Einschätzung und die der CDU ist: Wenn wir Putin jetzt nicht stoppen, macht er weiter. Dann wird er andere Länder angreifen. Deswegen gibt es keine Chance, aus dem Konflikt herauszukommen, ohne mit militärischer Stärke und harten Sanktionen Putin zum Aufgeben zu bringen. Das ist auch die Auffassung der Bundestagsfraktion und aller Kolleginnen und Kollegen aus Sachsen.

Hier ist aktuell die wichtigste Frage, ob wir der Ukraine schwere Kampfpanzer liefern sollten, vor allem den deutschen Leopard II, von dem es in Europa 2000 Stück gibt. Wie stehen Sie dazu?

Zunächst geht es um Schützenpanzer vom Typ Marder, mit dem man Soldaten sicher transportieren kann. Ich spreche mich klar dafür aus, diese Schützenpanzer zu liefern. Beim Leopard-II-Panzer halte ich den Vorschlag aus den Reihen der SPD vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth für erwägenswert. Er schlägt vor, dass die EU-Länder, die den Leopard II im Einsatz haben, sich zusammentun und gemeinsam ein Kontingent von 100 bis 200 liefern. Wir müssen erreichen, dass Putin keine Chance mehr sieht, den Krieg zu gewinnen. Erst dann wird Russland bereit sein, über einen Frieden zu verhandeln.