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SUPERillu
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© Uwe Toelle
Legende des Ostens

Sigmund Jähn: Weltraumfahrer ohne West-Orden

Der Weltraumflug von Sigmund Jähn jährt sich am 26. August zum 43. Mal. Just zum Jubiläum hat SuperIllu Einblick in brisante Dokumente erhalten, die belegen, dass eine bedeutende Ehrung des Kosmonauten durch das Land Brandenburg vereitelt wurde.

Gesamtdeutsche Helden sind rar. Einer war Sigmund Jähn (†2019), der erste Deutsche im All. Wie einen Popstar feierten ihn Ost und West im Sommer 2018, rund um sein 40. Raumfahrtjubiläum. Doch eine offizielle Ehrung durch die Bundesrepublik, etwa in Form eines Verdienstordens, blieb aus. Warum wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verwehrt, das seit 1951 mehr als 250000 Bundesbürger erhielten?

Rückblick bringt Lichts ins Dunkel

Am 26. August 2018, einem Sonntag, herrscht großer Bahnhof im kleinen Vogtlandstädtchen Morgenröhte-Rautenkranz. Hier, wo Jähn 1937 geboren wurde, findet der Festakt für das 40. Jubiläum statt. Freunde sind gekommen, internationale und deutsche Raumfahrtprominenz, darunter zwei betagte russische Kosmonauten. Alle sind gespannt: Würde Sigmund Jähn, damals 81 Jahre alt, nun endlich einen Orden erhalten? Vielleicht aus der Hand von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer, CDU, der anwesend war? Nach vielen Grußworten („Astro-Alex“ Gerst meldete sich live aus der ISS!) ist die Enttäuschung groß: Auch von Kretschmer kommen nur nette Worte, ein Händedruck und ein Blumenstrauß. Ein Orden? Fehlanzeige!

Skandal nach Raumfahrt

© Uwe Toelle
Besuch beim ersten Deutschen im All mit Übergabe der ersten Exemplare des SUPERillu-Sonderheftes 2018 (Strausberg bei Berlin) .

Klaus Flade gerät immer noch in Rage, wenn er sich an die aus seiner Sicht skandalöse Situation erinnert. Er und drei andere deutsche Raumfahrer haben Jähn viel zu verdanken: Durch seine Kontakte konnten sie mit russischer Technik ins All fliegen, zum Beispiel zur Raumstation MIR. Zu SuperIllu sagt Flade: „Diese Vernachlässigung ist empörend. Denn dass sich ab 1992 die Luken der Sojus-Kapseln für uns öffneten, war einzig Sigmunds Verdienst! Dafür muss ihn Deutschland endlich anständig ehren. Jetzt geht es nur noch posthum!“

Vorangegange Ablehnung bleibt bestehen

Damals, 2018, kurz nach dem Jubiläumsevent, schreiben die deutschen Raumfahrer, um Jähns Ehre zu retten, einen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Darin schlagen sie Jähn für den Bundesverdienstorden vor. Die Antwort aus dem Schloss Bellevue kommt prompt - und ist die nächste herbe Enttäuschung: Man könne Jähn nicht auszeichnen, da ein gleichlautender Ordensvorschlag zuvor schon an den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke gerichtet und von diesem abgelehnt worden sei. Das sei aus ordensrechtlichen Gründen bindend.

Die Verleihung ist ein außerrechtlicher Gunsterweis, der, wie die Ablehnung eines solchen, keiner Begründung bedarf.

Florian Engels, Sprecher des brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke

Hommage oder Hohn?

Schade, man hätte doch gern gewusst, warum Jähn zu seinen Lebzeiten der Gunst Woidkes offenbar unwürdig war. Vor allem, da dieser ihm nur ein Jahr später, als Jähn am 21. September 2019 starb, folgende Worte nachrief: „Er war ein Held der Menschlichkeit, der nach seinem Himmelssturm nie die Bodenhaftung verlor. Er war ein besonderer Mensch, der in unsere Geschichtsbücher gehört.“ Nach der von SuperIllu hier aufgedeckten Vorgeschichte klingt diese Hommage fast wie Hohn.

Mangel staatlicher Anerkennung

Der Mangel an staatlicher Anerkennung für Jähn befremdet viele, nicht nur in Ostdeutschland, sondern auch in der internationalen Raumfahrer-Community, weiß der renommierte Berliner Raumfahrtjournalist Gerhard Kowalski, der seine Rechercheergebnisse oft mit SuperIllu teilt.

Für manche scheint Jähn eine Art schräger Formel-1-Pilot zu sein. Doch er fuhr nicht mit 1000 PS im Kreis, sondern flog mit 22 Millionen PS unterm Sitz ins Weltall. Und er setzte sich dafür ein, dass andere ihm folgen konnten. Das haben manche Entscheider in der Politik wohl nicht begriffen.

Berliner Raumfahrtjournalist Gerhard Kowalski

Es bleiben offene Fragen

Dabei hat der Skandal um den verweigerten Orden längst eine weitere Schleife gedreht, wie ein Blick auf das Hickhack zeigt, das die Stadt Halle/Saale in diesem Frühjahr bei der Namensgebung für ihr neues Planetarium hin- legte. Der Vorgängerbau trug seit der Eröffnung 1978 den Namen „Sigmund Jähn“, doch die Hallenser konnten sich nicht dazu durchringen, den alten Namen auf den Neubau zu übertragen. Jähn-Freund und Alt-Astronaut Flade: „Das ist einfach nur beschämend. Was ist bloß los mit unseren Politikern, warum ehren sie unseren Helden nicht?“