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© Klaus D. Schwarz | DEFA-Stiftung
DEFA-Skandalfilm

Spur der Steine: Wie der Film zum Skandal wurde

1966 löste die Romanverfilmung von Frank Beyer einen der größten Skandale in der Geschichte der DEFA aus. Fast ein Vierteljahrhundert lag „Spur der Steine“ mit Manfred Krug im Giftschrank …

Alles fing vielversprechend an. Am 15. Juni 1966, dem Vorabend der 8. Arbeiterfestspiele, wurde „Spur der Steine“ erstmals öffentlich gezeigt – und entwickelte sich im Potsdamer Kino „Thalia“, schnell zum Publikumserfolg. Darauf wollten die Macher um Regisseur Frank Beyer (†2006) landesweit mit 56 Kopien aufbauen, auch die Teilnahme am Internationalen Filmfestival von Karlovy Vary (Karlsbad) war geplant; das Prädikat „Besonders wertvoll“ schien nur noch Formsache zu sein. Doch dann die Katastrophe: So groß wie das Budget von „Spur der Steine“ – mit 2,7 Millionen Mark entsprach es dem Dreifachen damaliger DEFA-Filme – waren auch die Tumulte bei der offiziellen Premiere. Als das Arbeiterdrama am 30. Juni 1966 im Berliner Kino International in Anwesenheit des Ensembles lief, ertönten nur wenige Minuten nach Filmstart die ersten Buhrufe. Proteste, organisiert von höchster Stelle, die Berichterstattung in den Medien unterbunden – bis auf eine negative Kritik im „Neues Deutschland“ („Verzerrtes Bild von unserer sozialistischen Wirklichkeit… zu Recht Empörung bei den Zuschauern“). Für die folgenden 23 Jahre sollte der Film kurz darauf im Giftschrank landen…

Der Film

„Spur der Steine“ spielt auf der Großbaustelle Schkona. Dort genießen der Zimmermann Hannes Balla (Manfred Krug, †2016) und seine Brigade gleichermaßen Respekt und Narrenfreiheit. Auf die bürokratischen Regeln der Planwirtschaft pfeifen sie; fehlendes Material besorgen sie sich notfalls mit Gewalt. Weil die Truppe aber so ungemein produktiv ist, sieht die Bauleitung über das aufmüpfige Verhalten – vor allem Ballas – und manch zweifelhafte Methode hinweg. Mit Werner Horrath (Eberhard Esche, †2006) hat eines Tages ein von Idealismus und dem Wunsch nach echten Verbesserungen beseelter SED-Parteisekretär das Sagen. Anfänglich kommt es zu Autoritätsgerangel zwischen ihm und Balla. Zunehmend wächst jedoch die gegenseitige Wertschätzung, gemeinsam tüftelt man etwa ein Drei-Schicht-System aus.

Mit dem Jobantritt der Ingeneurin Kati Klee (Krystyna Stypułkowska, 82) wird die Harmonie getrübt, denn beide verlieben sich in die Schönheit, die erst einmal damit beschäftigt ist, sich die Achtung der Brigade zu erkämpfen – was ihr auch gelingt. Ihr Herz gewinnt schließlich Horrath, und eine Liebelei nimmt ihren Lauf –heimlich allerdings, denn der im Job so geradlinige und moralisch integre Parteisekretär ist verheiratet, will Frau und Kind nicht verlieren, genauso wenig wie seine Posten…

Die Situation spitzt sich zu, als Kati schwanger wird und auf der Baustelle Unruhe und Gerüchte entstehen. Als das Kind auf der Welt ist, verstärkt sich der Druck von oben auf die junge Frau. Doch aus Loyalität gegenüber Horrath verweigert Kati die Auskunft über die Vaterschaft. Erst als sie wegen der Schikanen ihrer Partei und der Enttäuschung ob Horraths Verhalten vollends am Boden liegt und sich von ihm trennt, packt dieser aus – und reicht bei der Gelegenheit die Scheidung ein. Folgenlos bleibt sein Geständnis nicht: Unter anderem wegen politisch-ideologischen Versagens verliert Horrath sämtliche Posten, sogar ein Parteiausschlussverfahren steht zur Debatte. Während Kati Schkona verlässt, um andernorts glücklich zu werden, bleibt Horrath – als Arbeiter unter Balla. Der Brigadeführer hat sich für seinen ehemaligen Vorgesetzten eingesetzt, der ihm ein Freund geworden ist; er weiß um dessen Verbundenheit mit der Baustelle.

© imago stock&people
Manfred Krug war auch ein großartiger Sänger. Hier 2008 beim einem Jazz-Konzert in Leipzig

Manfred Krug: Der Höhepunkt seiner Karriere

Für Manfred Krug, der, damals 28-jährig, Hans Balla mit umwerfender Kraft und doch auch Leichtigkeit spielt, war „Spur der Steine“ sein bester Film – und vielleicht ist er das auch: Grandios besetzt und inszeniert, fesselt er bis heute mit seiner authentischen Darstellung politischer und menschlicher Konflikte.

Dass die DEFA-Produktion kurz nach ihrem Start so jäh aus dem Verkehr gezogen wurde, lag an der unverhohlenen Kritik an den Verhältnissen, die sich vor allem im rebellischen Balla und im unsteten Horrath manifestierte. Mängel am Bau im Film durften getrost als Mängel im System verstanden werden. Mal wird zudem ein Volkspolizist ins Wasser geworfen, mal Westfernsehen geschaut…

Die von der Parteiführung bestellten Tumulte erinnerten mich an Nazi-Methoden

Regisseur Frank Beyer

Verbot wegen antisozialistischer Tendenzen

Zum Verhängnis wurde dem Film die Tatsache, dass Ende 1965, also nicht einmal ein Jahr vor der Premiere, das 11. Plenum des Zentralkomitees getagt hatte, wo nach Jahren der kulturpolitischen Öffnung verkündet wurde: „Unsere DDR ist ein sauberer Staat.“ Der anschließenden „Säuberung“ fielen viele Filme, vor allem aus den Jahren 1965 und 1966, zum Opfer – darunter „Spur der Steine“, obwohl der Film nach dem Roman von Erik Neutsch (†2013) zuvor von der Hauptverwaltung Film des Ministeriums für Kultur freigegeben worden war. Wegen „antisozialistischer Tendenzen“ war er nun verboten – wie die anderen „Kellerfilme“. Regisseur Frank Beyer wurde noch lange in seiner Arbeit behindert; Manfred Krug ging 1977 in den Westen, nachdem er gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns, 84, protestiert hatte.

Erst im November 1989, nach 23 Jahren im Giftschrank, durfte „Spur der Steine“ wieder im Kino gezeigt werden - das Presseecho diesmal: vielfältig und positiv, auch 1990 bei der Berlinale in Westberlin. Das Publikum feierte den Film ebenfalls. Die Steine der Mauer waren da bereits längst ins Rollen gekommen…

75 Jahre DEFA: Das legendäre Logo

Das Schwarz-Weiß-Logo der DEFA ist Kult – und wurde von zwei Schauspielern entwickelt, die auch Führungspositionen bei der DEFA bekleideten. Die Logo-Idee hatte Adolf Fischer, Mitglied des DEFA-Vorläufers Filmaktiv und späterer Produktionsleiter für Spielfilme; von Hans Klering (u.a. DEFA-Gründungsmitglied und künstlerischer Direktor) kam die grafische Umsetzung.