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© Michael Handelmann | SuperIllu
Nachhaltigkeit

1. Magdeburger Repair-Café: Eine zweite Chance für Tausende Geräte

Seit acht Jahren setzen im 1. Magdeburger Repair-Café ehrenamtliche Technik-Experten defekte Geräte instand. Das ist gut für die Geräte, für sie selbst und für die Umwelt.

Mittwochnachmittag, Punkt drei. Bis eben haben die technikkundigen Senioren im 2015 gegründeten Magdeburger Repair-Café tatsächlich noch Kaffee getrunken. Doch nun sind aus den Kaffeetrinkern emsige Bastler geworden: Sie schrauben und löten, bohren und kleben. Ruhepol im Trubel ist Wolfgang Matschek. Er sitzt am Eingang zur Werkstatt und nimmt entgegen, was die Magdeburger heute vorbeibringen: immer neue alte, defekte Geräte.

Der erste „Patient“ ist ein Toaster. Matschek, früher Physiklehrer, reicht ihn gleich weiter an einen Kollegen mit „freier Kapazität“, seinem Besitzer drückt er einen Abholzettel in die Hand. War die Reparatur erfolgreich, muss er später nur die Ersatzteile bezahlen und - wenn möglich - eine kleine Spende. Schon ruft Matschek in Richtung der Schlange vor der Tür: „Der nächste bitte!“

© privat
Melanie Jaeger-Erben, 46, ist Professorin für Technik- und Umweltsoziologie in Cottbus

Lohnt sich die Reparatur alter Geräte?

Obwohl ältere Produkte oft eine schlechtere Energiebilanz haben als neuere, lohnt sich ihre Instandsetzung. Warum? Die Antwort weiß Nachhaltigkeitsforscherin Melanie Jaeger-Erben von der BTU Cottbus-Senftenberg. Zu SuperIllu sagt sie: „In die Gesamtrechnung muss man einbeziehen, dass nicht nur der aktuelle Gebrauch eines Geräts Energie kostet. Auch für seine Herstellung wurde ja schon Energie aufgewendet. So gesehen ist es immer sinnvoll, alles möglichst lange zu benutzen.“

Die wachsende Reparatur-Szene in Deutschland

Die deutschsprachige Reparatur-Szene wächst beständig. In den letzten zehn Jahren, so Jaeger-Erben, wurden im Monat durchschnittlich acht Repair-Cafés neu eröffnet. 1130 solcher Orte sind auf der Seite reparatur-initiativen.de bundesweit gelistet - inklusive Öffnungszeiten! Letztere Information ist nützlich für alle, die ihren kaputten Geräten erstmals eine zweite Chance geben wollen. Denn da der Service ehrenamtlich angeboten wird, sind viele Werkstätten meist nur ein-, zweimal in der Woche besetzt.

Reparieren, macht mich zufrieden! Zu sehen, wie etwas wieder läuft, das ist wirklich großartig.

Wolfgang Matschek
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Peter Padur werkelt am Toaster herum

Magdeburger „Technik-Doktoren“

Die Magdeburger „Technik-Doktoren“ etwa kommen nur mittwochs zusammen. Alle sind im Ruhestand, fast alle hatten früher technische Berufe. Mit Renteneintritt suchten sie nach einer Möglichkeit, ihr über Jahrzehnte angehäuftes Wissen weiter nützlich anzuwenden. Peter Padur, einst Maurer, hat schon den frisch eingelieferten Toaster zerlegt. Padur sagt: „Bei diesem Typ brennt meist ein bestimmter Widerstand durch. Man braucht schon lange, bis man an das defekte Teil herankommt, weil die Geräte so kompakt verbaut sind.“ Professionelle Werkskundendienste können eine solche Tüftelei nicht wirtschaftlich erledigen. Bei den ehrenamtlichen Bastlern im Süden von Magdeburg ist das anders: Sie haben das Wissen, die Zeit - und pflegen obendrein noch die Geselligkeit: Vor den Werkstattstunden trinken sie Kaffee, danach ein Bierchen.

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Ein Streichholzschachtelregal für kleine Dioden aus DDR-Produktion

Reparieren als Trend: Eine Renaissance alter Kulturtechniken?

Angesichts des Trends zur Reparatur stellen die Cottbuser Professorin Melanie Jaeger-Erben und ihre Mitautorin Sabine Hielscher in ihrem Buch „Verhältnisse reparieren. Wie Reparieren und Selbermachen die Beziehungen zur Welt verändern“ (transcript Verlag, 2023) die Frage, ob „wir gerade eine Renaissance alter Kulturtechniken erleben oder nur einen kurzlebigen Hype“. Statt eine einfache Antwort zu geben, warten die Autorinnen mit Fakten auf. So haben sie errechnet, dass Menschen in Mehrpersonenhaushalten pro Tag sechs bis sieben Minuten mit Reparieren, Warten und Pflegen ihrer materiellen Ausstattung verbringen. Kein Wunder, dass der Do-It-Yourself-Markt (frei ins Deutsche übersetzt mit „Heimwerker-Markt“) ein riesiges Volumen hat: 2020, im Jahr der pandemiebedingten Lockdowns, betrug er fünf Milliarden Euro, von 2010 bis 2020 wuchs er ums Fünffache!

Enormen Zuwachs verzeichnete in der Corona-Zeit auch das Magdeburger Repair-Café. Wolfgang Matschek: „Als die Schlangen so lang wurden, wie früher, als es Bananen gab, haben wir mit festen Terminen angefangen. Ohne vorherige Buchung geht heute nichts mehr.“ An dem Nachmittag, als SuperIllu vor Ort ist, muss das auch ein Magdeburger erleben, der spontan einen defekten Panasonic-Plattenspieler einliefern will. Matschek bedauert: „Wir sind voll, mehr schaffen wir nicht“, und so zieht der Vinylfreund schulterhängend ab. Auch Matschek wirkt geknickt - weil er nicht helfen konnte: „Reparieren macht Spaß. Das Gefühl, etwas instand zu setzen, zu sehen, wie Kaputtes wieder läuft - toll! Das bringt Zufriedenheit und ist ein Grund, warum wir uns engagieren!“

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Edith Straudan übergibt ihren defekten Wasserkocher an Wolfgang Matschek

Klimaschutz: CO2-Einsparpotenzial

Neben dem Gefühlshaushalt der Bastler profitieren vom Reparieren aber auch Klima und Ressourcen. Zahlen dafür liefert z.B. der Verein „Runder Tisch Reparatur“: Nach seiner Berechnung lassen sich bis 2030 jährlich 10 Mio. Tonnen Emissionen an CO2-Äquivalenten einsparen, wenn EU-weit die normale Lebensdauer von Elektrogroß- und -kleingeräten um fünf Jahre verlängert wird. Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 5 Millionen Autos im Jahr.

Die Forderung vieler Reparatur-Initiativen, das „Recht auf Reparatur“ auch auf Elektrokleingeräte auszudehnen (es gilt schon für Großgeräte wie Kühlschränke, Wasch- und Spülmaschinen) hatte Erfolg: Ab 2025 müssen auch Hersteller von Handys und Laptops viele Ersatzteile vorhalten und mit lizenzierten Reparaturwerkstätten zusammenarbeiten!

Der Nachmittag im Repair-Café geht zu Ende, heute waren 15 „Patienten“ da. Wolfgang Matscheks Diagnose: „Den meisten kann geholfen werden.“ Zwar braucht ein Drucker etwas Geduld, bis passender Ersatz für seinen defekten Motor gefunden ist. Einer Lichterkette hingegen konnte sofort geholfen werden (verklebte Kontakte). Und auch die heutige Nr. 1, der Toaster, funktioniert bereits wieder! Matschek: „Das macht uns sehr zufrieden!“ Defekte Haushaltsgeräte aus DDR-Produktion liegen übrigens nur selten auf den OP-Tischen der „Technik-Doktoren“. Denn viele von ihnen sind einfach „unkaputtbar!

iFixit: Weltweite Reparatur-Community

Zu dieser weltweiten Reparatur-Community tragen Millionen von Bastlern und Technikern bei. Die Webseite de.ifixit.com bietet über 101.000 Reparaturanleitungen in vielen Sprachen.