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© Christian Amouzou
Autor von „Ich, ein Sachse“

Samuel Meffire: Einmal „Vorzeige-Schwarzer" und zurück

Geboren mit Kameruner Wurzeln in der DDR, wurde er mal hofiert, mal gehasst. Er vertrat das Gesetz, legte sich aber auch damit an. Neben einer Autobiografie gibt es nun eine Streaming-Serie über den 52-Jährigen. Treffen mit einem, der selbst staunend vor seinem bewegten Leben steht – und an Ost wie West appelliert.

"Jetzt ist meine Visage ja schon wieder so präsent!“, sagt Samuel Meffire mit einem Lachen, aber ohne erkennbare Koketterie. Und in der Tat rollt derzeit die nunmehr dritte große Aufmerksamkeitswelle über ihn hinweg… Das erste Mal war 1992, als der gebürtige Zwenkauer in Sachsen die Plakate einer aufsehenerregenden Anti-Rassismus-Initiative zierte. Meffire war seinerzeit der erste schwarze Polizist Ostdeutschlands – und auch Politiker zeigten sich gern an seiner Seite. Der Kampagne waren zahlreiche rechtsextreme Ausschreitungen vorausgegangen – trauriger Höhepunkt: die Vorfälle gegenüber Ausländern und Asylanten in Hoyerswerda, bei denen auch die Polizei kein sonderlich gutes Bild abgab.

Der Rassismus war subtil. Wir lebten in einer Platte, umgeben von vielen Menschen – und doch war ich allein. Es war die Strategie der Meidung.

Samuel Meffire
© privat
Große Liebe: Christine und Samuel Meffire. Der Kameruner starb unter ungeklärten Umständen am Tag der Geburt von Samuel junior.

Das „Anderssein“ prägte ihn seit jeher

Mit jemandem wie Samuel Meffire schmückte man sich daher gern – bis der Sohn eines Kameruners und einer Deutschen selbst straffällig wurde (u.a. Raubüberfall) und für rund sieben Jahre ins Gefängnis musste. Überforderung mit der öffentlichen Aufmerksamkeit hatte zum Absturz beigetragen, aber auch: Rassismuserfahrungen. All das würde seine Taten natürlich nicht entschuldigen – und doch habe ihn das „Anderssein“ seit jeher geprägt. So erzählt Meffire über seine DDR-Jugend: „Es gab ja diesen offiziell verordneten Anti-Rassismus und -Faschismus. Da wurde bei der Durchsetzung notfalls mit dem eisernen Besen gekehrt. Niemand hätte uns vom Fußweg getreten oder an den Haaren gezogen. Der Rassismus war subtil. Wir lebten in einer Platte, umgeben von vielen Menschen – trotzdem war ich allein. Es war die Strategie der Meidung; bis auf eine kurze Episode hatte ich schlicht keine Freunde.“ Samuel Meffire sagt jedoch auch: „Zugleich habe ich sehr viele Menschen erlebt, die ,farbenblind‘, zugewandt und anständig waren. Das ist etwas, was ich keinesfalls unerwähnt lassen möchte!“

Resozialisierung und mediale Aufmerksamkeit

Er saß noch ein und arbeitete an seiner Resozialisierung, als im Jahr 2000 die Kino-Doku „Dreckfresser“ erneut ein Schlaglicht auf ihn warf. Meffire ließ sich zu diesem Zeitpunkt im Rahmen von Vollzugslockerungen zum Mediengestalter fortbilden; nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis arbeitete er im erlebnispädagogischen Bereich mit straf- und auffälligen sowie geflüchteten Jugendlichen. Heute ist er vor allem Trainer für Gefahrenlagen – und Autor: Vor Kurzem erschien seine Autobiografie „Ich, ein Sachse“. Seit dem 26. April zeigt Disney+ zudem die Serie „Sam – ein Sachse“ für die Samuel Meffires bewegte Vergangenheit Pate stand.

Es muss auch darum gehen, das Selbstbild zu stärken. Es gibt so viel Fleiß, Ideenreichtum und Kompetenz im Osten.

Samuel Meffire
© Facebook | Big Window Productions
Die Serie „Sam – ein Sachse“ startete am 26. April beim Streamingdienst Disney+

Appell an die „eigenen Leute“ und den Westen

Das jüngste mediale Interesse an seiner Person nutzt der Dreifach-Vater nun, um einmal mehr für seine Landsleute in der Heimat zu werben und an diese zu appellieren. Denn er weiß nur zu gut um deren Enttäuschung und Wut ob des Ost-West-Gefälles, die sich beispielsweise in hohen Zustimmungswerten für die rechtspopulistische AfD entladen. Meffire findet: „Neben ,klassischen‘ Forderungen wie gleicher Bezahlung muss es auch darum gehen, das Selbstbild zu stärken. Es gibt so viel Fleiß, Ideenreichtum und Kompetenz im Osten. Und Historie: Sachsen ist das Mutterland der Reformation, Luther ein Vorreiter der Demokratie. Daran sollte man sich orientieren, statt im schlimmsten Fall Hassphilosophien aus dem Dritten Reich anzuhängen, weil man frustriert ist.“ Und dem Westen rät er „in die kritische Selbstreflexion zu gehen und zu sehen, was etwa die Abwicklung durch die Treuhand an Betrieben, aber auch an Ideen zerstört hat.“

Die Wurzel der Kränkung ziehen

Meffire erinnert an Willy Brandts „Kniefall von Warschau“ 1970 und wünscht sich eine ähnlich charismatische Persönlichkeit, „die in den Osten geht bzw. an die ostdeutsch geprägten Menschen herantritt und glaubwürdig sagt: ,Wir, die politisch Verantwortlichen, haben schwere Fehler gemacht in den Übergangsjahren. Lasst uns in einen wirklichen Heilungsprozess eintreten.‘ Das würde mehr wirken als Anti-Rassismus-Kampagnen, Neonazi-Aussteiger-Programme etc. Denn an der Wurzel, da ist die Kränkung.“