Menü
SUPERillu
Made with in Offenburg
© A. Wetzel | SuperIllu
Lockdown: Sonderweg in Mittelsachsen

Öffnungsstrategie in Augustusburg in Sachsen: „Wir können das, aus eigener Kraft“

Augustusburg in Mittelsachsen will ab 1. April als erste Stadt Deutschlands Restaurants, Hotels, Geschäfte und Museen komplett öffnen. Wie das funktioniert und wer hinter dem Modellprojekt mit Schnelltests steckt

Aktualisiert am 30. März: Auch Oberwiesenthal plante, Hotels und Gaststätten ab 1. April mithilfe des Modellprojekts zu öffnen. Dieser Starttermin wurde wegen der aktuellen Infektionslage der Stadt verschoben. Wann Oberwiesenthal öffnen wird, ist im Moment unklar.

Ein Mann führt seinen Hund an der Leine, eine junge Frau ist mit dem Kinderwagen unterwegs. Im idyllischen Augustusburg ist es im Lockdown fast menschenleer. Doch das soll sich nun ändern.

Die 4500 Einwohner große Stadt startet ein bundesweit einmaliges Pilotprojekt: Ab 1. April will die Stadt ihre Hotels, Restaurants, Cafés, Geschäfte und Museen öffnen – und zwar ohne Terminvergabe. Einzige Voraussetzung für Kunden oder Besucher: ein negativer Corona-Test und die Registrierung auf einer Website.

Sonderweg Augustusburg: Das sagt der Bürgermeister

„Wir müssen endlich wieder atmen können“, erklärt Bürgermeister Dirk Neubauer (SPD), 50. „Dafür braucht es eine Alternative zu dem, was der Regierung bislang zur Bekämpfung der Pandemie eingefallen ist: alles ein bisschen zu, ein bisschen mehr zu und ganz zu.“ Zusammen mit anderen hat er das Pilotprojekt für seine Stadt entwickelt und für dessen Umsetzung gekämpft.

© A. Wetzel | SuperIllu
Dirk Neubauer, Bürgermeister von Augustusburg

Pilotprojekt: Die Öffnungsstrategie von Augustusburg

Und so funktioniert es: Nach der Registrierung auf der Website der Stadt erhalten Einwohner und Touristen per E-Mail einen Barcode und melden sich für einen kostenlosen Schnelltest an, der auf dem Parkplatz des Freizeitzentrums Rost’s Wiesen im Auto durchgeführt wird. Ist das Ergebnis negativ, wird der Barcode drei Tage zur digitalen Eintrittskarte für Gastronomie und Geschäfte, unter Einhaltung der Hygienekonzepte. Um ihn wieder zu aktivieren, braucht man einen neuen Test. Das Betriebspersonal wird zweimal pro Woche getestet.

Die Technik kommt aus dem Osten, wir haben doch alles hier

Bürgermeister Dirk Neubauer

Finanziert wird das Testmaterial vom Freistaat. Personalkosten in Höhe von bis zu 10000 Euro trägt laut Stadtratsbeschluss die Stadt. Einen Test pro Bürger und Woche zahlt der Bund. Und das Unternehmen Theed Technology aus Mecklenburg-Vorpommern stellt die Software zunächst kostenlos zur Verfügung. Der Corona-Warn-Buzzer, der in Augustusburg schon als Alternative zur Corona-Warn-App getestet wurde, kommt übrigens in den Museen zum Einsatz. „Alles ostdeutsche, teils sächsische Produkte“, so Neubauer. „Wir haben doch alles hier.“

 

© A. Wetzel | SuperIllu
Coronatest-Container: Auf dem Parkplatz von Rost’s Wiesen können bis zu 500 Tests pro Stunde durchgeführt werden

Modellprojekt Augustusburg: Das sagen Bürger und Gewerbetreibende

Gleich begeistert vom Projekt war auch Jörg Hammer, 56, Mitbetreiber von Rost’s Wiesen, wo das Testzentrum steht. Er will seine Sommerrodelbahn und das Restaurant öffnen, auch wenn es kurzfristig ist. „Wir Ossis sind es gewohnt, zu improvisieren“, erklärt er. „Und den Glauben an unser Land habe ich verloren. Ob sich das finanziell für uns lohnt? Sehen wir dann! Jetzt muss man erst mal was machen.“ Auch Evelin Fleischer, 53, Inhaberin des Schmuckstübchens, ist „Feuer und Flamme“ für das Modell. Seit Monaten arbeitet sie nur auf Anfrage, bald könnten Kunden ihren kleinen Laden zumindest einzeln wieder besuchen.

Mal wieder was anderes, als den Supermarkt zu betreten – darauf freut sich auch Christine Franik, 78. Die Rentnerin will sich gerne auf dem Parkplatz testen lassen, um die Angebote ihrer Stadt zu nutzen. „Einmal zu Meinig’s Mode-Mix oder in die Gaststätte Ferienhotel, das wär schön.“ Bei Meinig’s Mode-Mix hat sie Glück: Das Familienunternehmen wird ebenfalls öffnen. „Mode auf Bestellung funktioniert bei uns nicht“, sagt Gudrun Meinig, 79, Mutter des Inhabers. „Die Leute wollen die Sachen sehen, fühlen, anprobieren.“ Gedulden müssen sich noch Besucher des Ferienhotels Augustusburg. Inhaberin Ute Dathe, 55, möchte öffnen, sobald es so warm ist, dass sie die Außengastronomie nutzen kann. „Es muss sich für mich rechnen.“ Annette Schaufuß, 60, vom Röstcafé wartet aus demselben Grund. „Aber das Konzept ist toll“, sagt sie. „Viele sind dankbar und warten nur darauf.“

© A. Wetzel | SuperIllu
Christine Franik (78) möchte sich gerne testen lassen. Ehemann Wolfgang Franik (81) ist bereits geimpft

Angst, sich durch die Öffnung zu infizieren, haben nur wenige. Etwa Schülerin Tina Möbius, 16, aus Augustusburg: „Testen lassen würde ich mich. Aber dann gleich shoppen zu gehen? Das ist mir zu riskant.“ Der Bürgermeister kennt die Bedenken. Er sagt: „Getestete treffen auf Getestete – sicherer geht’s nicht.“ Seine Einschätzung teilt die Virologin Dr. Katja de With, Leiterin der Infektiologie am Uniklinikum Dresden. „Eine pfiffige Idee ist das”, findet sie. „Das Konzept ist etwas, das man auf jeden Fall ausprobieren sollte. Hundertprozentige Sicherheit gibt es nie.”

Was wäre das auch für ein starkes Signal ins Land: Wir können das - aus eigener Kraft

Bürgermeister Dirk Neubauer

Dirk Neubauer hofft, mit dem Projekt zeigen zu können, dass eine Öffnung von Geschäften und Gastronomie mit Schnelltests und der digitalen Besucherkarte möglich ist. Dass es richtig war, es zu wagen und „es sich lohnt, auszubrechen“, wie er sagt. „Was wäre das auch für ein starkes Signal ins Land: Wir können das - aus eigener Kraft.“