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Ute Freudenberg zieht Bilanz

Von wegen Heather Jones: So machte ich Schluss mit meiner Lebenslüge

Die beliebte ostdeutsche Sängerin Ute Freudenberg erzählt aus heutiger Sicht, wie sie die spannendste und bewegendste Zeit ihres Lebens erlebt hat. Eine persönliche Bilanz nach 20 Jahren Einheit

Die Tränen liefen ihr übers Gesicht, und es lag nicht an den Zwiebeln auf dem Zwiebelmarkt in Weimar, dem größten Volksfest Thüringens, das jedes Jahr am zweiten Oktoberwochenende gefeiert wird.

Ute Freudenberg stand 1995 auf der Bühne und weinte vor Glück und Rührung über ihre eigenen Worte: „Liebe Freunde!“, hatte sie gerufen. „Ich komme zurück nach Weimar! Zurück in meine Heimat!“ Und dann sang sie „Jugendliebe“ und Tausende auf dem überfüllten Theaterplatz weinten und sangen mit ihr und schenkten ihr einen Arm voll roter Rosen.

Heimweh

„Das war einer der schönsten und bewegendsten Momente meines Lebens“, sagt sie heute. „Die Entscheidung, wieder in meine Heimatstadt zu ziehen, hatte mich wie ein Blitz getroffen. Was machst du eigentlich im Westen? Das hatte ich mich gefragt, nachdem ich elf Jahre in Düsseldorf gelebt und gearbeitet hatte.

Du fühlst dich ganz fremd. Du gehörst doch nach Thüringen, zu deiner Familie, zu deinen Freunden, zu deinen Nachbarn. Hier sind deine Wurzeln, hier bist du geboren und zur Schule gegangen, hier hast du Musik studiert, hier hat deine Karriere begonnen - du musst einfach wieder nach Hause.“

Vorgeschichte

Um sie zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen: Ute Freudenberg war 1984 nach einem Fernsehauftritt in Hamburg nicht in die DDR zurückgekehrt, weil sie aus ihr unerfindlichen Gründen beruflich kaltgestellt worden war. Keine Platten, Radiosendungen und Fernsehauftritte mehr.

Dabei hatte sie vorher eine rasante Karriere gemacht: Mit 15 Jahren wurde ihr Gesangstalent im Ferienlager Feuerkuppe in Straußberg (Kyffhäuserkreis) entdeckt. Ein Jahr später siegte sie bereits in einem Nachwuchswettbewerb und trat in ihrer ersten TV-Show „Sechs Mädchen und Musik“ auf. Nun hatte sie ihre berufliche Zukunft klar vor Augen.

Sie studierte an der Franz-Liszt-Musikhochschule in Weimar und war 1976 Gründungsmitglied der Rockband „Elefant“. Die Gruppe brachte zwei LPs und 12 Singles bei AMIGA heraus. Erfolgreichster Titel: „Jugendliebe“ 1980. Mit 24 Jahren war Ute Freudenberg ganz oben: Von 1980 bis 1984 wurde sie viermal zur beliebtesten Sängerin der DDR gewählt.

Aber dann fiel sie plötzlich in Ungnade bei den DDR-Unter­haltungs-Funktionären, blieb im Westen - und aus dem Thüringer Mädchen wurde ein Produkt der westdeutschen Plattenindustrie: Aus Ute Freudenberg wurde Heather Jones. Wie kam sie auf die Idee, sich einen englischen Namen zu geben?

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Ute Freudenberg und ihr Ehemann Peter Pieper bei der Goldenen Henne 2009

Unmöglicher Name

„Damit hatte ich überhaupt nichts zu tun“, erzählt sie. „Ich habe diesen Namen nie gewollt, und mich hat auch niemand um Erlaubnis gefragt, mich umbenennen zu dürfen. Das wurde einfach über meinen Kopf hinweg gemacht.“

Der Hintergrund: Der Komponist Franz Bartzsch hatte gemeinsam mit Ute Freudenberg den Titel „This Was The Last Time“ produziert. Der Song wurde Titellied der Tatort-Folge „Pleitegeier“ und gefiel den Verkaufsstrategen einer westdeutschen Plattenfirma. Wer ist die Frau mit dieser tollen Stimme? Ute Freudenberg? Ein unmöglicher Name. Die klingt wie eine Amerikanerin.

„Und so wurde ich zu Heather Jones. Aber der neue Name hat weder den Platten-Chefs noch mir Glück gebracht“, erinnert sich die wider Willen Umgetaufte. „Die Firma wurde von einer größeren Gesellschaft geschluckt, und als der Tatort gesendet wurde, gab es in den Läden keine einzige Platte. Ich bin noch einmal in der ZDF-Hitparade unter diesem Namen aufgetreten.“ Millionen Zuschauer im Osten fragten sich damals: Heather Jones? Das ist doch unsere Ute Freudenberg.

Lebenslüge

„Also machte ich dem Spuk ein Ende und verwandelte mich zurück. Ich hatte mich auch nie in der Haut von Heather Jones wohlgefühlt. Diese Frau war eine Lebenslüge, mit der Schluss sein musste. Und am 3. Oktober 1996, dem Tag der Deutschen Einheit, feierte ich meine private Wende: Ich zog wieder nach Thüringen um. Gott sei Dank: Ich bin halt ein Weimarer Kind.“

Treue Fans

Ihr Publikum hatte sie in all den Jahren nicht vergessen und nahm ihr auch das „West-Gastspiel“ nicht übel. Ganz wieder zu Hause angekommen fühlte sich die Sängerin, als sie 1998 mit dem begehrten Medienpreis Goldene Henne ausgezeichnet wurde und die Leser von SUPERillu ihren Klassiker „Jugendliebe“ 2005 zum beliebtesten DDR-Hit aller Zeiten wählten.

Wieder so ein bewegender Moment. „Mich durchströmt immer wieder ein ungeheures Glücksgefühl auf der Bühne, wenn ich spüre, dass die Menschen von meinen Liedern berührt sind“, sagt sie. „Oder wenn sie nach einem Konzert zu mir kommen, mich in den Arm nehmen und mir sagen, dass ich ihnen Lebensfreude und neuen Mut selbst in schwierigsten Situationen gebe.“

Sorgen

Sie lässt sich in solchen Augenblicken nicht anmerken, welche Sorgen sie selbst belasten. „Ich habe noch nie darüber gesprochen“, sagt sie. „Seit Mitte 2007 ist meine Mutti sehr krank. Sie kann nicht mehr laufen und nicht mehr stehen. Ich habe viele Stunden neben ihrem Bett auf der Intensivstation verbracht, und wenn es ihr manchmal besser geht, fahre ich sie im Rollstuhl in die Sonne, und wir reden und lachen, denn glücklicherweise ist sie im Kopf total fit.

Jeden Tag, an dem ich in Weimar bin, besuche ich sie. Ich habe meinen Eltern eine so schöne Kindheit zu verdanken, dass ich meiner Mutter davon etwas zurückgeben möchte. Und sie ist sehr, sehr stolz auf ihre Tochter.“

Ehre

Auf einen Tag im Leben ist Ute Freudenberg ganz besonders stolz: Am 6. Oktober 2008 wurde die Künstlerin von Bundespräsident Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Für ihr Engagement als Schirmherrin der McDonald’s Kinderhilfe. Dafür hat sie extra eine eigene Aktion ins Leben gerufen, Titel „Jugendliebe hilft“.

Was steckt dahinter? „Ich bitte meine Fans, mir keine Geschenke oder Souvenirs zu schicken, sondern das Geld stattdessen auf ein Spendenkonto zu überweisen. Schon wenige Euros können Kindern in Not sehr viel helfen.“ Auf ihrer Homepage www.ute-freudenberg.de stehen Einzelheiten. „Das Bundesverdienstkreuz ist eine hohe Ehre für mich“, sagt sie. „Und ein Grund, mein wichtigstes Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Ich möchte auch mit 70 oder 80 den Menschen noch Freude machen.“

Dazu muss sie jedoch gesund bleiben und das ist bei ihrem Arbeitspensum nicht so einfach. Sie ist das ganze Jahr über unterwegs: Konzerte, TV-Auftritte, neue CDs, Chanson-abende und die legendären Ostrock-Klassik-Tourneen. Da bricht ihr Rocker-Herz wieder durch, wenn sie mit Bands wie den Puhdys, Karat oder Silly die Fans begeistert.

Auszeit

Stopp - im Januar ist sie immer von der Bildfläche verschwunden. „Da bin ich einfach mal weg“, erzählt sie. „Ich gönne mir für drei Wochen eine Verjüngungskur auf Sri Lanka mit einer Ayurveda-Therapie. Ayurveda ist die älteste Medizin der Welt. Mit ihr wird der Körper ohne Chemie von allen Giften gereinigt und regeneriert.

Mit Meditation und wohltuenden Massagen, traumhaften Düften und belebenden Ölen. Ich komme völlig generalüberholt zurück, habe aber auch den Rest des Jahres mein persönliches Fitness-Programm: Jeden Morgen 30 Minuten Trampolinspringen - das hält jung.

Dazu eine gesunde Ernährung: Ich bin Anhängerin von TCM, der Traditionellen Chinesischen Medizin, die Körper, Seele und Geist im Gleichgewicht hält.“ Das neue Album von Ute Freudenberg heißt „Das ist Leben“. Eine Art Rückblick, Memoiren? Sie lacht: „Ganz im Gegenteil. Ein Power-Programm: eine Liebeserklärung an das Leben.“