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Michael Heubach

„Ich bin Ninas Farbfilm-Micha“

Hintergrundgeschichte: Michael Heubachs Song „Du hast den Farbfilm vergessen“ machte Nina Hagen 1974 zum Star

Er sieht sie zum ersten Mal bei einem Pressefest in der Nähe von Leipzig. Frühjahr 1974. Die zierliche Nina Hagen, 19 Jahre alt, darf als Gast-Sängerin des Orchesters Alfons Wonneberg ein paar Liedchen trällern. Michael Heubach, der im Publikum sitzt, ist von ihrer Stimme, ihrer Schönheit, ihrem frechen Wesen begeistert. Noch am selben Abend spricht er sie an. Er sucht dringend eine Sängerin für seine Band „Automobil“. Heubach erinnert sich: „Nina sagte sofort: Ja! Ich glaube nicht, dass das daran lag, dass mein Angebot besonders gut war. Sie wollte einfach nur weg vom Wonneberg-Orchester.“ Ein paar Tage später probt Nina zum ersten Mal mit den Musikern von „Automobil“. Unter abenteuerlichen Bedingungen. Heubach: „Der Probenraum war ein heruntergekommenes Kulturhaus. Ungemütlich, manchmal war der Strom weg. Es gab keine Heizung. Wenn es kalt war, übten wir in Mänteln.Trotzdem hat es viel Spaß gemacht, weil wir an uns glaubten.“

© H. Schorsch
Show: Nina Hagen und Michael Heubach: Auftritt 1974 in der DDR-Fernsehsendung „Rund“

Heubach ist zwar damals erst 23. Aber als Musiker hat auch er schon bessere Zeiten erlebt. Nach seinem Musikstudium in Leipzig ist er Keyboarder und Arrangeur bei Renft. Später bei der Bürkholz-Formation, mit der er viele Erfolge feiert. Bis „Bürkholz“ Mitte 1973 wegen „Aufwiegelung der Massen“ von den DDR- Behörden verboten wird.  Ein schwerer Schlag. Aber Heubach gibt nicht auf. Als sich die Aufregung gelegt hat, versucht er Anfang 1974 die Band wiederzubeleben. Unter anderem Namen - „Automobil“. Rock-Musik ist in der DDR nicht mehr so verpönt wie zurzeit des 1971 abgesetzten SED-Chefs Walter Ulbricht. Offiziell wird sie nun sogar gefördert, denn die SED-Funktionäre haben gemerkt, dass die „langhaarigen“ Rocker bei der Jugend beliebt sind. Sie zensieren aber weiter die Liedtexte. Und hin und wieder wird eine Band verboten.

Die Geburt eines Hits

Die Probleme der Musiker sind zahlreich. Eine westliche Profi-E-Gitarre kostet in der DDR 8000 Mark, ein Jahreslohn. Heubach: „Außerdem gab es keine Noten für Rock-Hits aus dem Westen. Wir hörten sie im West-Radio, nahmen sie auf Tonband auf.Und hörten dann mühsam Note für Note heraus.“ Heubach komponiert auch selbst. Für „Automobil“ schreibt er fünf Songs. Einer davon ist die Melodie vom „Farbfilm“. Den Text soll der Leipziger Song-Schreiber Kurt Demmler liefern. Heubach: „Demmlers erster Entwurf gefiel uns gar nicht: „Komm fahr mit mir in die Berge, da ist es schön ...“. Langweilig. Wir wollten was Witziges.“

Also macht sich Demmler noch mal ans Werk. Am nächsten Tag kommt er mit dem genialen Ergebnis: „Du hast den Farbfilm vergessen, mein Michael ...“. Heubach: „Nina und ich hatten damals wirklich ein Verhältnis. Man darf annehmen, dass Demmler mich als Vorbild für den „Michael“ nahm. Der Text ist ansonsten frei erfunden. Nina und ich waren nie auf Hiddensee.“ Im Berliner Funkhaus Nalepastraße nimmt die Gruppe den Song auf. Die Radioleute sind begeistert. Und auch die Rundfunkhörer. Heubach: „Die Hörer konnten damals per Postkarte ihre Hits wählen. Wir landeten sofort auf Platz 1. Der „Farbfilm“ kam bald in hoher Auflage als Single bei Amiga heraus. Wenig später erschien der Song auch im Westen. Und ich bekam zum ersten Mal West-Geld als Tantiemen. Nicht in bar. Sondern als Gutschein über 665 DM für den Intershop. Ich kaufte mir davon einen Rasierapparat, Jeans, für den Rest Kaugummis. Im Westen wäre ich mit dem Hit Millionär geworden. Aber was solls!“

Das Wiedersehen

1975 trennt sich die Band. Heubach geht zur Gruppe „Lift“. Nina startet eine Solo-Karriere. An einem kalten Dezembermorgen 1976, kurz nach der Ausbürgerung ihres Ziehvaters Wolf Biermann, verlässt sie die DDR mit Ausreiseantrag. Heubach bleibt. Im Dezember 1989, kurz nach dem Mauerfall, klingelt sein Telefon in Ost-Berlin. Nina ist dran. Sie ruft aus Paris an. „Micha, ich komme!“ Eine neue Liebe ist nicht daraus geworden. Die schrille Punk-Lady und ihr braver „Micha“ - sie sind zu verschieden.