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Made with in Offenburg
© M. Handelmann/SUPERillu
Hauptstadt Sachsen-Anhalts

Ein Wochenende in Magdeburg

Die Elbmetropole mit über 1200-jähriger Geschichte will noch stärker als Wissenschafts- und Kulturstadt punkten. Folgen Sie unseren Reportern Michael Schoepperl und Michael Handelmann in eine Metropole, die den Aufbruch wagt

Magdeburg: moderne Kultur- und Wissenschaftsstadt

Es scheint, als trauten die Einheimischen dem Applaus von außen noch nicht so ganz. Als ließe sie der kräftige Rückenwind, den die Stadt in jüngster Zeit spürt, eher fröstelnd zurück. Zu tief offenbar die Erfahrung der ersten Nachwende-Jahre, in denen es oft hieß: Magdeburg kommt irgendwie nicht aus dem Knick. Und wenn sich was ändert, dann auch gern zum Schlechteren.

Fakt ist aber: Der Umbau vom „Schwermetallriesen“ zur modernen Kultur- und Wissenschaftsstadt ist gut gelungen. Junge Kreative stellen deren wirtschaftliches und kulturelles Fundament breiter auf. Die Stadt wächst, erobert sich Lebensräume zurück, etwa an der Elbe. Die Touristenzahlen steigen, und selbst die Idee, sich 2025 als Kulturhauptstadt Europas zu präsentieren, wirkt nicht zu verwegen.

Die "Wiege Deutschlands"

Dass Magdeburg, durch die nahezu völlige Zerstörung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg und im letzten Kriegswinter 1945 eines bedeutenden Teils seines kulturhistorischsteinernen Erbes beraubt, beim „Neuerfinden“ variantenreicher, unkonventioneller vorgehen muss(te), versteht sich von selbst.

Nehmen wir als Beispiel dafür einfach mal den Domplatz. Dominiert wird dieser von der ersten auf deutschem Boden erbauten gotischen Kathedrale: Magdeburgs weltberühmtem Dom. Mächtiger Referenzpunkt zu Otto dem Großen, König und Kaiser, der im 10. Jahrhundert nicht nur den Vorgängerbau des heutigen Doms errichten ließ, sondern als Begründer des Heiligen Römischen Reiches seine „Lieblingspfalz“ Magdeburg in den Mittelpunkt des damaligen Weltgeschehens rückte und die Elbmetropole bis heute als „Wiege Deutschlands“ erfahrbar macht.

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Zwischen Dom und Elbe finden sich alte Wehranlagen, das letzte erhaltene mittelalterliche Stadttor und in der ehemaligen Alten Möllenvogtei ein Infozentrum zur Straße der Romanik

Hundertwassers Grüne Zitadelle

Neben der Gotik des Doms schließen sich von Parlament und Landesregierung genutzte Barockensembles an. Eine dem Dom nahe Baulücke füllt heute ein elegant mit Stilelementen der Kathedrale und der Barockbauten experimentierender Neubau der Nord/LB. Der, weil in sich zweigeteilt, selbst wieder als Blickachse auf die dahinter liegende Kirche St. Sebastian fungiert. Einen Steinwurf weiter ist es dann Friedensreich Hundertwassers Grüne Zitadelle - verschnörkelt, kunterbunt, aus dem Lot geraten -, die dem Platz seinen eigenwilligen „Schlussstein“ setzt. Weil jedoch Stadtplanung hier ganz bewusst mit den Brüchen, Lücken und Narben der Stadt spielt, wirkt das Ensemble im Herzen Magdeburgs auf den ersten Blick vielleicht etwas sperrig, aber nie beliebig.

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Übernachten in der Grünen Zitadelle: „artHotel“

Die 1. Etage der Grünen Zitadelle beheimatet das artHotel (DZ 85 Euro). Nett auch die Cocktailbar im EG, Frühstücksraum gibt es nicht, Brötchen & Co. kommen morgens ans Bett. Breiter Weg 9, Tel. 0391/6 207 80 (www.arthotel-magdeburg.de)

Kunst und Kultur in Magdeburg

Es sind derlei Balance-Akte, die man hier immer öfter wagt und mit denen man überwiegend gewinnt: So gilt das älteste Gebäude der Stadt, das romanische Kloster Unser Lieben Frauen, heute aufgrund seiner reichhaltigen Sammlung und mutigen Ausstellungen als wichtigster Ort für die Präsentation zeitgenössischer Kunst in ganz Sachsen-Anhalt (www.kunstmuseum-magdeburg.de). Aus historischen Kasernenanlagen, wie der Festung Mark, wachsen populäre Kulturzentren, oder es finden sich darin stadtgeschichtlich relevante Museen wie zu Ehren des Magdeburger Wissenschaftsgenies Otto von Guericke (Lukasklause) oder zur Straße der Romanik (Alte Möllenvogtei).

Auch der Fürstenwall, die Bastion Cleve und all die anderen mittelalterlichen bzw. preußischen Wehranlagen am Elbufer unterhalb des Doms sind nicht länger „nur“ Sehnsuchtsorte eines längst verschütteten Gestern, sondern fügen sich wie selbstverständlich ein in die modernen Wohn- und Ausgehwelten, die das urbane Leben am 21 Kilometer langen, die Stadt durchziehenden Elbstrom immer mehr auf Touren bringen.

Die Kulturszene ist vielfältiger denn je: Schauspielhaus, Oper und Philharmonie strahlen weit über die Stadtgrenzen hinaus. 1958 gegründet, hat sich das Puppentheater Magdeburg (http://www.puppentheater-magdeburg.de) zu einem der erfolgreichsten Ensemblepuppentheater Deutschlands entwickelt. Mehr als 50 000 Gäste zählt man jährlich und richtet zudem alle zwei Jahre das Internationale Figurentheaterfestival „Blickwechsel“ aus.

Auch das Kabarett „Zwickmühle“, gerade 20 geworden, meldet regelmäßig ausverkaufte Vorstellungen. Nicht zuletzt, so Gründer Hans-Günther Pölitz, „weil wir eben nicht im Stil der Comedy auf 90 Minuten Schenkelklopfer setzen, sondern unser Publikum fordern, gerade in wieder stürmischer werdenden politischen Zeiten - und es auch gern mal auf dem falschen Fuß erwischen“.

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Stehen für politisch-satirisches Kabarett und meiden die Comedy-Effekthascherei: Marion Bach und Bühnenchef Hans-Günther Pölitz sind Garanten der Erfolgsstory der „Zwickmühle“

Magdeburg: Studentenstadt mit Partyszene

Ob über wirtschaftliche Start-ups oder als Frischzellenkur für die Kulturszene: Ausgangspunkt für diese Form der „Stadterneuerung“ ist nicht selten die Otto-von-Guericke-Universität. 1993 gegründet eine der jüngsten Hochschulen der Republik und mit rund 22 000 Studenten ein Kraftpol der Stadt. Frederic Voigt hat sie als BWLer durchlaufen, hat aber irgendwann von der Idee Abschied genommen, Investmentbanker zu werden, und sich auf „meine Stadt“ und aufs Eventmanagement konzentriert. „Es fing mit Studentenpartys an, 2012 haben wir erfolgreich das erste Magdeburger Holi-Festival organisiert.“

Magdeburg, sagt der 27-Jährige, sei inzwischen viel experimentierfreudiger, neugieriger und selbstbewusster geworden. Eine Großstadt, „aber mit familiärem Charme“. Ein Ort der Möglichkeiten. Ausstellungsmacher, Musiker, Multimedia-Künstler und eine weit über die Stadt beachtete DJ-Szene legen davon Zeugnis ab.

Dort, wo sich die junge Szene ballt, rund um den von Gründerzeithäusern gesäumten Hasselbachplatz, hat er 2015 den Tanztempel „Club Epic“ eröffnet, ums Eck geht dieser Tage die Bar „Freigeist“ an den Start. Unter dem Motto „Pop Up Club“ will er alte Industriegebäude temporär für Events und Partys nutzen. Den Anfang macht im Frühjahr 2016 ein Speicher im „Wissenschaftshafen“, einer einstigen Industriebrache.

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Das Epizentrum des Nachtlebens ist die Gegend rund um den Hasselbachplatz. Das „Epic“ einer der angesagtesten Clubs (Mi, Fr, Sa ab 23 Uhr)

Restaurantempfehlung: „Le Frog“

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Das Le Frog liegt mitten im Rote­hornpark mit Blick auf den idylli­schen Adolf ­Mittag­ See. Den Salat des Hauses mit Hähnchen brust gibt’s für 10,90 Euro. Garten, viele „Freisitze“, toller WoEnd-­Brunch, www.lefrog-magdeburg.de, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag ab 9 Uhr, Samstag und Sonntag ab 10 Uhr

Magdeburgs Modedesignerszene

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Auch Modedesignerin Carolin Goldmann fand’s anregend

Magdeburg holt sich seine Stadt zurück, entdeckt sie neu, transformiert sie - „da sind wir natürlich dabei“, schwärmt Voigt. Kräftige Farbtupfer ganz anderer Art schickt auch die stetig größer werdende Modedesignerszene in die Stadt und hinaus ins weite Land: so wie Carolin Goldmann. Die Kollektionen der 28-jährigen Magdeburgerin, die ihre Fans inzwischen weltweit schätzen, sind „mal klassisch, mal verspielt, mal futuristisch - aber immer Unikate in Handarbeit“, sagt die Chefin von „Lady Caro Lynn“. Tipp: In der Boutique Momo in der Sternstraße 30 kann man Sommerkleidchen wie Abendroben von ihr anprobieren! (www.lady-caro-lynn.eu)

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Magdeburg lebt seine Gegensätze. Warum also nicht Sophie in Abendrobe aus Tüll und Spitze in der Aerosol-Arena, Kultstätte der Graffiti-Kunst, in Szene setzen

Magdeburg vom Wasser aus entdecken

Vielfältiges Magdeburg: Wie entdecke ich dich nun als Besucher? Das Wasserkreuz Magdeburg samt Schiffshebewerk und längster Kanalbrücke der Welt über eine Dampfertour mit der Weißen Flotte ab Anleger Petriförder (Tour „Große Acht“, 4 Stunden, 24,50 Euro, www.weisseflotte-magdeburg.de). Die Altstadt-Elbe mit Wasserblick auf die architektonischen Schätze der Stadt? Da raten wir zu einer Paddeltour mit dem Team von Biber-Kanutouristik. Start ist an der Alten Elbe am Südzipfel des idyllischen Rotehornparks (Seilerweg 17, 1,5 Stunden).

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Die Stadt von der Wasserseite aus erleben – und aktiv werden: Eine (geführte) Elbetour mit Biber-Kanutouristik macht’s möglich

Stadtführung in Madgeburg

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Willi Willmann führt auch als Otto der Große fachkundig durch die Stadt. Der Magdeburger Reiter am Alten  Markt, vor dem „Otto“ uns Audienz gewährt, erinnert an den mächtigen Kaiser

Die Altstadt zwischen der Shoppingmeile Breiter Weg, Altem Markt, Dom und Elbe erlebt man hingegen flanierend. Am besten an der Seite eines kundigen Stadtführers (2 Stunden, 6 Euro via magdeburg-tourist.de) - wie Willi Willmann. Der die Stadt im Herzen trägt. Und der zudem ein begnadeter „Bilderbauer“ ist. Einer, der die Lücken der Stadt von gestern und die Ideen eines Magdeburgs von morgen dank seiner die Fantasie anregenden Sprachmächtigkeit vor unseren Augen „sichtbar“ werden lässt.

Sicher wird Willmann es nicht versäumen, Sie auf eine Neon-Installation zu beiden Seiten der alten Hubbrücke hinzuweisen. Auf der einen Seite steht da, nachts weit und grell leuchtend: „Von so weit her bis hierhin“. Auf der anderen Brückenansicht heißt's dann: „Von hier aus noch viel weiter“. Der weltberühmte Florentiner Lichtkünstler Maurizio Nannucci spielt damit auf die Elbe an. Die Sinnsprüche lassen sich aber auch auf die ganze Stadt umdeuten: auf das Magdeburg mit über 1200-jähriger Geschichte. Und auf das Magdeburg, das neue Horizonte sucht. Auf eine Stadt im Aufbruch.

Das „Domplatz Open Air“

Das „Domplatz Open Air“ ist ein Publikumsmagnet. 2017 präsentiert das Theater Magdeburg u. a. die West Side Story in zwei Akten, Informationen dazu finden Sie hier: www.theater-magdeburg.de