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Brandenburgs Nationalpark

Ein Wochenende im Unteren Odertal

Hier darf Natur Wildnis sein. Denn das Land am Fluss ist selbst „im Fluss“. Begleiten Sie unsere Reporter Michael Schoepperl und Michael Handelmann in die grenzenlosen Auenlandschaften des Unteren Odertals

Das Untere Odertal ist Brandenburgs einziger Nationalpark. Auf über 10.000 Hektar erstreckt sich der Park am Unterlauf der Oder über die Landkreise Barnim und Uckermark. Die Flussaue im Nationalpark Unteres Odertal gehört zu den letzten, größtenteils intakten Flussmündungen in Mitteleuropa und bietet daher zahlreichen Pflanzen und Tieren schützenswerten Lebensraum. Begleiten Sie uns durch die im wahrsten Sinne des Wortes grenzenlosen Auenlandschaften dieses wunderschönen Fleckchens Erde.

 

Das Untere Odertal im Nordosten Brandenburgs und Polen

Das Leben ist ein langer ruhiger Fluss. Nutzlandschaften wandeln sich zurück in Wildnis. Und der Mensch ist nur eine Randerscheinung, geduldeter Gast auf Zeit, staunender Beobachter. Das Untere Odertal, das sich auf bis zu vier Kilometer Breite und 60 Kilometer Länge zwischen Stettin im Norden und Hohensaaten im Süden erstreckt, zählt zu den wenigen naturnahen Flussauen Mitteleuropas.

Auen dieser Art sind auf unserem Kontinent selten geworden. Nahezu überall wurde den Flüssen ein Korsett angelegt, indem man sie begradigte und kanalisierte. Hier im Nordosten Brandenburgs und im benachbarten Polen darf die Oder im Fluss sein, sich sorglos ausbreiten, Landschaften formen. Mit jeder Überflutung lässt der Strom das Land verändert wieder auftauchen. Modelliert Flussauen, lässt Altarme wachsen und schrumpfen, bahnt sich neue Wege und verlässt manch alten.

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Altarme der Oder, dichte, oft meterhohe Schilfgürtel: So wild und urwüchsig präsentiert sich die Landschaft bei einer Kanutour rund um Mescherin

Mit dem Kanu durch den Nationalpark Unteres Odertal

Eine, die dem Reiz jener Landschaft, die sich heute überwiegend als „Nationalpark Unteres Odertal“ präsentiert, schon vor Jahren erlegen ist, ist Frauke Bennett. Diplomierte Geografin mit baden-württembergischen Wurzeln. Seit jeher eine Unternehmungslustige, die es einst als Reiseleiterin u. a. quer durch Simbabwe oder Südafrika gezogen hat. Die aber vor Jahren das Durch-die-Welt-Vagabundieren gegen ein eher beschauliches Dorfleben hier eingetauscht hat. 2008 hat sie „Flusslandschaft Reisen“ an den Start gebracht. Schwerpunkt: geführte Kanutouren im und um den einzigen Flussauen-Nationalpark Deutschlands (Touren, Kanuverleih etc. via www.flusslandschaft-reisen.de).

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Frauke Bennett erkundet mit ihren Gästen (und gelegentlich in Begleitung von Terrier Babette) die Altarme zwischen West- und Ost-Oder. Und zwar bei stets charmant geführten Kanutouren

Paddeln wo die Oder ziemlich träge ist

An der Badewiese in Mescherin, unweit des Campingplatzes, sind wir losgepaddelt. Raus auf die Westoder. Bis es scharf rechts abgeht, durchs Deichtor, durch das auch schon vor langer Zeit die Bauern ihre Kähne gesteuert haben, um dahinter, auf den Auenwiesen, Futter fürs Vieh zu holen.

Mitten hinein treiben wir in die Wildnis der Flussaue. In ein bisweilen verwirrendes Geflecht aus mal weiten, mal winzigen Wasserarmen. Wo die Oder ziemlich träge ist - und es mithin fast schon egal ist, ob man mit oder gegen die Fließrichtung paddelt. Wir steuern zwischen meterhohem Schilf und entlang zahlreicher Spaliere aus stolzen Weiden. Ein Biberbau hier, Teichmummeln dort.

Über uns zieht ein Schwarzer Milan seine eleganten Kreise. Grau- und Silberreiher kreuzen plötzlich seinen Weg. Ein Eisvogel, jener flüchtige Geselle, präsentiert sich uns für einen viel zu kurzen Augenblick in seiner ganzen Farbenpracht. Tiefenentspannt und offensichtlich auch gerne mal für Fotokollegen Michael Handelmann „Modell sitzend“ zeigt sich hingegen ein Frosch, der es sich auf einem Seerosenblatt sommerlich bequem gemacht hat.

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Erst ein bisschen räkeln auf einem Seerosenblatt, nun bäuchlings ein Badefoto: Dieser Frosch hat dem Fotografen Handelmann alle Wünsche erfüllt

Staunen auf der Mescherin Tour

Es sind diese faszinierenden Bilder, die fast im Sekundentakt das Auge streifen und die begreiflich machen, was Frauke Bennett meint, wenn sie davon spricht, wie sich hier „eine ganz besondere Wahrnehmung für Geräusche und Farben entwickelt“.

Der Rest ist Staunen. Während Frauke, allerdings stets wohl dosiert, den „Großen-Bennett-Brockhaus“ auspackt und von schwankenden Wasserständen, absterbendem Schilf, das im Flussbett wieder zu Moor wird, oder von der Wirkmächtigkeit von Schwebeteilchen erzählt. Dazu Launiges von Flussschnecken und Seeschwalben einstreut.

Kleine Geschichten mit großer Wirkung für den Kreislauf der Natur, die sich hier in ihren ganz ursprünglichen Zeitläuften (neu) einrichten darf (Mescherin-Tour, ca. elf Kilometer, sechs Stunden einplanen).

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Wer sich bei Mescherin einen Überblick über die Region verschaffen will, klettert einfach auf die Plattform dieses Aussichtsturms

Sehenswert im Unteren Odertal: Der Ort Mescherin

Mescherin selbst ist ein ziemlich entspannter, angenehmer Ort, in dem sich die Welt mehr oder weniger in Obere und Untere Dorfstraße aufteilt. Wo man am Oderufer geruhsam spaziert oder in Paulinas Taverne lecker essen kann. Wo man am nördlichen Dorfausgang - einen Steinwurf von der nach Polen führenden Oderbrücke (die nächste ist in Schwedt) entfernt, vor einiger Zeit einen hölzernen Aussichtsturm errichtet hat, von dessen Plattform aus man den Blick über die Aue, über Deiche und Polder bis rüber nach Greifenhagen oder Stettin schweifen lassen kann.

Wo (entsprechend der Jahreszeit) eine stattliche Zahl Kraniche rastet und die Rohrweihe (die einzige Greifvogelart, die am Boden brütet) im Schilf ihr Versteck baut. Ein schöner Wanderpfad führt von Mescherin auf gut sechs Kilometern über Geesow rüber zur Salvey Mühle.

Wo die Malerin Karin Völker und der Ex-IT-Manager Rainer Hanke aus einer alten Wassermühle ein romantisches Feriendomizil mit weitläufigem Hofgarten und Mühlenmuseum gezaubert haben.
 

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Rainer Hanke war mal IT-Manager, hat sich dann aber in die Salvey Mühle verguckt, betreibt sie als Ferienhof und zeigt uns hier, wie das alte Sägewerk funktioniert Die Mühle am Salveybach, wo man entspannt die Seele baumeln lässt

Auf Kurs nach Schwedt/Oder

Auf dem Weg nach Schwedt haben wir Gartz gestreift. Wo der Salveybach in die Westoder mündet. Wo Pulverturm, Stettiner Tor und Reste der alten Wehranlagen von Zeiten erzählen, als der Ort Mitglied der Hanse und aufgrund seiner strategisch wichtigen Oder-Lage nicht selten hart umkämpft war. Heute finden sich hier Irene Fatkes rustikale „Pommernstube“, wo fangfrischer Oderfisch in allerlei leckeren Varianten auf den Teller kommt und unten am Wasser Ausflugsschiffe, die unter anderem Stettin ansteuern, eine Bootsvermietung und eine Eisdiele, wo's die Kugel noch für einen Euro gibt.

Vor den Toren des Ortes sind wir auf einen Schwatz mit Mirko und Wolfgang Dehnert zusammengekommen, die bei ihrer dort weidenden Wasserbüffel-Herde gerade nach dem Rechten sahen. „Landschaftspflege im Schulterschluss mit der Nationalpark-Verwaltung“ ist es, was die rund 70 Tiere hier verrichten. Wilde Gesellen sind das, mit asiatischer DNA.

Dass Juniorchef Mirko den Bullen-Häuptling dennoch am Ohr kraulen darf (und der Büffel sichtlich Spaß daran hat), liegt darin begründet, dass „er aus dem Zoo Berlin zu uns kam und Menschen mehr vertraut als seinen Artgenossen“.

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Die Wasserbüffel stehen im Nationalpark in der Nähe von Gartz

Naturparkstadt Schwedt

Schwedt, das mittlerweile über 750 Jahre alt ist, das sich „Naturparkstadt“ nennt und dies sogar auf seinen Ortseingangsschildern zeigt, hat lange mit dem Nationalpark-Konzept gefremdelt. Industriestadt, die sie nun einmal ist. Vielleicht auch, weil die Stadt, die seit der Wende gut ein Drittel ihrer Einwohner verlor, nun selbst in einer Art „städtebaulichem Rückbauprozess“ verfangen ist und sich notgedrungen neu orientieren muss, sind es heute durchaus versöhnliche Töne, die man ins Nationalpark-geschützte Umland aussendet.

Spürt man doch auch hier, dass der naturnahe, sanfte Tourismus stetig wächst - und damit natürlich auch Geld in die Region spült. Und Schwedt hält, mit den Uckermärkischen Bühnen, der Galerie am Kietz, dem jüdischen Ritualbad, seiner Lage am populären Oder-Neiße-Radweg oder dem Tabakmuseum im Ortsteil Vierraden (Do.-So. von 10 - 17 Uhr, vom 1. Oktober bis 31. März ist das Museum geschlossen, Erwachsene 2 Euro, www.schwedt.eu/de/tabakmuseum) einiges an Anlaufstationen bereit.

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Die Salvey Mühle ist ein echtes Kleinod und mit seinem weiten Hofgarten ein prima Ort, um Touren durchs Odertal zu starten

Letzte Etappe: Criewen

Ein Ortsteil von Schwedt ist auch Criewen, Schlusspunkt unserer heutigen Tour. Dorfkirche. Lenné-Park. Wo im Schloss und in den Gebäuden des Gutshofes das Nationalparkzentrum zu Hause ist. Wo eine tolle Ausstellung über die Idee des Unteren Odertals informiert (tägl. ab 9 Uhr).

Wo Ranger geführte Exkursionen starten (www.nationalparkunteres-odertal.eu) und verträumte Wanderwege wie der Auenlehrpfad auf einen warten. Wir sind schon auf der Heimfahrt nach Berlin, als ein Song aus dem Autoradio unsere noch um Teichmummeln und Trockenwiesen kreisenden Gedanken wieder einfängt: „Zoobesuch bei 30 Grad. Pommes holen im Centerpark. Produktpremiere Mediamarkt. Autobahn und Ferienstart“, reimt da die Hamburger Hip-Hop-Band „Deichkind“.

Und - als wär's eine zarte Liebeserklärung ans Odertal - heißt's im Refrain: „Hauptsache kein Getümmel. Hauptsache kein Gehupe. Hauptsache Angelrute. Hauptsache nichts mit Menschen.“ So liebe Zeitgenossen wie Frauke, Karin, Rainer, Pauline und all die anderen, die wir hier kennenlernen durften, natürlich ausgenommen ...

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Wasser, Deiche, Altarme der Oder und viel Grün: So öffnet sich vor einem die Landschaft, wenn man bei Mescherin den Aussichtsturm bestiegen hat

Restaurant Unteres Odertal: „Altes Zollhaus“

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Im „Alten Zollhaus“

Die Taverne, in der die reizende Paulina neuerdings selbst ihre Kochkünste demonstriert (bis letztes Jahr stand noch ihre Mama an den Töpfen), liegt im „Alten Zollhaus“ an der Unteren Dorfstr. 9 in Mescherin. Deutsch-polnische Küche (Foto: Maräne mit Beilagen 10,90 Euro). Alles sehr lecker! Und als Zugabe: der herrliche Blick von der Terrasse auf die Oder

Übernachten: Die Salvey Mühle

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Die Salvey Mühle ist ein echtes Kleinod und mit seinem weiten Hofgarten ein prima Ort, um Touren durchs Odertal zu starten

Die Salvey Mühle ist ein echtes Kleinod und mit seinem weiten Hofgarten ein prima Ort, um Touren durchs Odertal zu starten. DZ ab 74 Euro inkl. Frühstück. Salvey Mühle 3, 16307 Gartz, OT Geesow, Tel.: 033333/30335, www.salveymuehle.de