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Dirk Zöllner wird 50

Interview mit dem Rockmusiker

Zu seinem 50. Geburtstag blickt Dirk Zöllner auf ein wildes Rocker-Leben zurück: Mit SUPERillu sprach er über Frauen, Sex, Drogen und andere Versuchungen

Du wirst am 13. Juni 50 Jahre alt. Wie wird gefeiert?

Ich hab’ am Abend vorher eine Lesung, werde da wohl reinfeiern. Und meine richtige Geburtstagsparty mache ich nach dem großen Konzert im Berliner Postbahnhof am 15. Juni: Ich lade Freunde und Kollegen ein – und hoffe, dass sie als Geburtstagsgeschenk vorher alle eine Karte fürs Konzert kaufen (lacht).

Macht dir die 50 Angst?

Alles hat Vor- und Nachteile: Ab 40 fängt so langsam der Körper an rumzuspinnen. Man wird weitsichtig, kriegt ‘nen Bandscheibenvorfall … Das hat mich schon irritiert, damit muss man erst mal leben lernen. Andererseits entwickelt sich der Geist weiter – und gleicht das wieder aus. Man mag sich also manchmal einen frischen Körper wünschen, aber man würde geistig nicht wieder zurück wollen! Ehrlich: Ich habe früher mehr gelitten unter mir selber …

Verhältst du dich denn heute anders als früher?

Klar! Ich bin Rockmusiker, ich hab früher durchgetrunken (lacht). Wenn ich das heute nur eine Woche lang mache, dann verordnet mir der Körper aber eine Pause!

Bist du eigentlich eitel?

Ja, ich bin ein sehr eitler Mensch. Das lässt zwar ein bisschen nach. Aber es ist neben der Maßlosigkeit sicher eine meiner ausgeprägteren Todsünden.

Du hast drei leibliche Kinder, die Jüngste ist gerade mal zwei. Hält dich das auch jung?

Natürlich! Speziell in meinem Fall: Ich habe ja eine ganz außergewöhnlich funktionierende Patchwork-Familie.

Verstehen sich da wirklich alle so gut, wie du es in deiner Biografie beschrieben hast?

Ja, das ist wirklich so. Meine erste Frau Abini ist nicht unbedingt immer dabei, außer bei den großen Familienfesten. Aber ich habe das große Glück, dass sich die Mütter meiner beiden jüngsten Kinder richtig gut verstehen – wofür ich gar nichts kann. Und dann die Konstellation der Kinder: Meine älteste Tochter Rubini holt meinen Sohn mal von der Schule ab und bringt ihn zum Friedrichstadt Palast, wo sie selbst ja auch immer gern war. Und meine „Schwiegermutter“ ist zwei Jahre älter als ich: Die belöffelt mich nicht mit Weisheiten, sondern für sie bin ich ein Partner. Wir können über unsere Biografien im Osten sprechen, worüber ich mit meiner Freundin Denise nicht reden kann, da sie zur Wende gerade mal elf Jahre alt war … Eine tolle, zeitgemäße Familienform.

Ist das auch mit dein Verdienst?

Ein wenig sicher. Aber ich trenne auch nicht Beruf und Privates, ich lebe vielmehr im „Zirkus Zöllner“: Meine Freundin organisiert mich und alle Anfragen, die Großeltern nehmen ab und zu das Kind, dann treten meine große Tochter und meine Halb-Tochter im Sommer gemeinsam mit uns auf ... So ist alles miteinander verbunden.

Wie schon gesagt: Du hast auch deine Biografie „Die fernen Inseln des Glücks“ geschrieben. Hattest du das Gefühl, es ist dafür schon an der Zeit?

Nö, von allein wär ich da nicht drauf gekommen. Ich finde es sehr eitel, wenn man unter 70 Jahren eine Biografie schreibt. Aber ich hatte schon einige Kolumnen für Zeitungen geschrieben und gemerkt, dass mir das Spaß macht. Und als mir der Verlag anbot, meine Erinnerungen aufzuschreiben, hat es mich einfach gefreut, dass man mir das zugetraut hat. Zwischendurch bin ich allerdings auch mal verzweifelt ...

Als du dich entschlossen hast, dein Leben aufzuschreiben, hast du da auch beschlossen, zu sagen: Wenn schon, dann auch richtig?

Ich lebe ja davon, dass ich mich zeige. Das ist ja nichts anderes als in der Musik auch. Für mich war das Buch auch eine Möglichkeit, mich geliebten Menschen neu zu nähern. Zum Beispiel meinem Bruder: Da ist dieser Disput, der sich durch unser ganzes Leben zieht. Und ich habe die Chance genutzt, den mal wohl dosiert, überlegt und ehrlich zu klären. Und er fand’s gut!

Was lag dir sonst besonders am Herzen?

Das Leben mit zwei Biografien. Ich teile meine Biografie mit vielen Menschen. Und habe es als Herausforderung gesehen, diesen Blick mal ganz naiv und in der Leichtigkeit, in der ich lebe und gelebt habe, rüberzubringen. Und scheinbar kommt das gut an: Inzwischen wird mein Buch sogar in Schulen für Workshops genutzt, um der nachfolgenden Generation zu zeigen: Wie war denn dieses Land? Besonders gefreut hat mich, dass Gisela Steineckert anrief um mir zu sagen, dass ihr mein Buch die Augen geöffnet habe!

Du warst nie der Typ für „die eine“. Die eine Band, das eine Projekt. Wie kommt’s?

Ich bin ein Reisender, ich empfinde Glück in der Veränderung.

Auch bei den Frauen war es oft nicht nur eine. Wie wichtig ist dir Treue heute?

Mittlerweile sehr wichtig! In der Tat sind in meinem Beruf die Versuchungen groß. Aber ich kann das inzwischen händeln. Ich weiß inzwischen, was ich nicht mehr machen will. Klar, die Fantasie kann immer mal mit einem durchknallen. Aber es geht ja darum, sich der Sünden bewusst zu sein. Und damit umzugehen. Heute sage ich: Ich möchte mit meiner Partnerin zusammen sein. Ich habe mich entschieden! Und dann möchte ich sie natürlich auch nicht verletzen.

Also verliebst du dich heute nicht mehr?

Doch, das passiert. Aber das gestehe ich auch meiner Freundin zu. Und: Wir können uns das gegenseitig sagen. Und wir stehen es dann durch – auch wenn das viel Kraft kostet. Mal ganz abgesehen davon, dass ein tatsächlicher Vollzug ja auch Vorstellungen und Fantasien zerstören kann – auf beiden Seiten (lacht)!

Mit deinen Frauen hattest du immer wieder das Bedürfnis, eine Familie zu gründen. Was bedeutet dir Familie heute?

Alles! Das selbst ausgewählte Umfeld bedeutet alles. Vor allem Kinder, weil sie dich mit der eigenen Vergangenheit verknüpfen. Und weil man sie so sehr liebt – Kinder sind ja die einzigen Wesen, die man mehr liebt als sich selbst –, ist es für mich Erholung, mit ihnen zusammen zu sein. Wenn man sich auf sie einlässt, wird alles andere klein.

Du hast auch von Drogenexperimenten erzählt. Wie hast du das damals erlebt? Und wie schwer war es, davon loszukommen?

Natürlich hat es mit diesem Beruf zu tun, dass man auch dort hingelangt. Schließlich ist der Beruf selbst eine Droge. Man erfährt eine Beachtung, die nicht „normal“ ist. Man steht auf der Bühne und bringt seine Gefühle rüber – und erntet Applaus, und die Mädchen gucken begeistert, und man fühlt sich so wunderbar, dass man nicht ins Bett gehen möchte. Also will man den Moment festhalten, indem man wach bleibt – und das eben manchmal durch Drogen.

Hast du Drogen auch für die Kunst genutzt?

Auch. In der Kunst versucht man ja, zu neuen Ufern vorzustoßen. Meist geht es um die Liebe. Aber man nähert ihr sich immer wieder neu an, dringt immer tiefer vor, um sich das Unerklärbare zu erklären. Musik ist dafür besonders geeignet. Als sturer Mensch kann man das aber nicht machen. Und daher kann es durchaus hilfreich sein, durch eine Droge mal von seiner Wahrheit abzukommen und einen neuen Blickwinkel zu finden.

Gab es denn Momente, in denen du von Drogen die Nase voll hattest?

Das ist bei mir eine tägliche Sache: Jeden Tag sage ich mir: „Nie wieder Alkohol, schallalalala ...“ Und abends geht es dann wieder von vorne los ... (lacht). Gott sei Dank verfüge ich über eine körperliche Konstitution, durch die ich die völligen Abstürze umgehen kann. Aber ich sehe das ja um mich herum: Opfer pflastern unseren Weg! Ich halte Drogen für ein legitimes Hilfsmittel. Aber es kann eben auch umkippen, und dann ist die Droge kein Hilfsmittel mehr sondern zentral.

Du hast in deinem Buch auch sehr persönliche Erfahrungen mit Freunden und Bekannten beschrieben. Z.B. die Dreiecksbeziehung mit Janine Strahl-Oesterreich und deren Mann Bob Strahl, der 1997 verstorben ist. Hast du sie eigentlich gefragt, ob du darüber schreiben darfst?

Den meisten Menschen hab ich die Passagen vorher gezeigt. Meinen Frauen zum Beispiel. Und dem Mann von der Staatssicherheit. Bei Janine habe ich keine Probleme erwartet. Ich habe ein bisschen über sie geschrieben und viel über Bob. Und doch ist das der einzige Eklat: Janine fühlt sich vorgeführt. Was mich irritiert. Denn ihr TV-Ich kenne ich gar nicht. Und daher habe ich diese Reaktion nicht vorhergesehen. Ich schreibe schließlich über eine Liebe. Und die hatte nun mal mit Alkohol und Sex zu tun. Natürlich akzeptiere ich, dass sie jetzt sagt, ihr seien meine Darstellungen zu intim ...

Es geht ja auch um deine Liebe zu ihrem Mann ...

Ja, etwas, das ich mir eigentlich gar nicht vorstellen kann: mit einem Mann im Bett zu liegen. Wahrscheinlich habe ich da nicht so eine starke homosexuelle Komponente ... Aber bei Bob konnte ich das! Weil es ganz einfach Liebe war. Und Liebe und Sexualität sind zwei unterschiedliche Dinge.

Machst du dir manchmal Gedanken über Fehler, die du begangen hast?

Das ist mein zentrales Thema. Ich bin ununterbrochen damit beschäftigt, meine eigenen Fehler zu erkennen. Allerdings ist das noch nicht lange so. Weil ich pubertiert habe bis kurz vor Vierzig (lacht). Jetzt erkenne ich erst, dass ich Veränderungen, die ich mir wünsche, nur über Veränderungen von mir selber erreichen kann. Ich bin nur ein Spiegel, andere reagieren auf mich. Ich habe gelernt: Ich bin ungeduldig, kann zornig sein und habe ein cholerisches Wesen – aber ich kann mich entschuldigen. Und versuchen, Fehler auch zu vermeiden.

Du siehst dich also kritisch?

Ich habe in den letzten Jahren festgestellt, dass ich Heinrich Heine ganz besonders mag. Weil er nicht nur austeilt, sondern auch einstecken kann. Weil er zwar um sich schlägt, sich aber nie ausnimmt. Das schätze ich sehr, auch bei meinen Freunden und Kollegen.

Zum Geburtstag und zum Bandjubiläum gibt’s auch ein neues Album: Was erwartet die Fans bei „Uferlos“?

Es ist das erste Album seit 15 Jahren, das demokratisch entstanden ist. Sonst sind André Gensicke und ich die Diktatoren, bestimmen alles. Hier sind die unterschiedlichsten künstlerischen Komponenten zum Zuge gekommen: Es ist zum Beispiel ein exzellenter Drummer dabei, der Dinge macht, die könnten mir gar nicht einfallen. Und das Album passt in keine Schublade: Wir machen einfach Musik. So wie es ursprünglich einmal war: Wir geben unseren Empfindungen durch Musik eine tiefere Bedeutung.

Für die nächsten Jahre: Wie soll’s weitergehen?

Ich wünsche mir, dass ich meinen Zöllner-Zirkus ausbauen kann. Ich möchte so wenig wie möglich Dienstleistung machen. Ich habe schon immer gesagt: Zwischen 50 und 60 werde ich anfangen, mich zu finden.

Hast du Angst vor dem Tod?

Ja. Ich bin mir ja auch bis heute nicht sicher, dass ich überhaupt sterbe ... (lacht). Das hat eine Dimension, die ich einfach gar nicht begreifen kann. Auch wenn ich mittlerweile erlebt habe, dass es Menschen gibt, die in Frieden sterben können. Das ist tröstlich zu sehen.